Deutsche Täter sind keine Opfer
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Deutsche Täter sind keine Opfer
Gegen Geschichtsrevisionismus und deutsche Opfermythen

Seit 1952 findet in der BRD jedes Jahr, zwei Sonntage vor dem ersten Advent, der sogenannte Volkstrauertag statt. Dieser Feiertag soll dazu dienen den Toten beider Weltkriege zu gedenken: den Deutschen, aber auch deren Gegnern. Wie kaum ein anderer Gedenktag öffnet dieses Datum dem deutschen Geschichtsrevisionismus und Revanchismus Tür und Tor. Überhaupt offenbart die Einrichtung dieses Feiertages viel über den unverantwortlichen Umgang Deutschlands mit seiner Geschichte.

Gegen Geschichtsrevisionismus

Unterschiedslos wird am Volkstrauertag jenen gedacht, die die offene Barbarei über Europa brachten, 6 Millionen Jüdinnen und Juden und politische GegnerInnen ermordeten und jenen, die diesen Terror mit Waffengewalt niederrangen oder ihm zum Opfer fielen. Neuerdings wird heute sogar der Opfer der DDR und des Stalinismus am Volkstrauertag gedacht. Die Verwischung der Grenzen zwischen Opfern und Tätern und der geschmacklose, NS-verharmlosende Vergleich von DDR und Drittem Reich scheint perfekt. Durch die Vermischung verschiedener wirklicher und vermeintlicher Opfergruppen und Zeitepochen verschwinden Ursache und Wirkung von Krieg und Massenmord in NS-Deutschland. Nach den Verweisen auf „dunkle Kapitel“ deutscher Geschichte können sich die Deutschen unverblümt als Opfer inszenieren und setzen die Ermordeten von Auschwitz, Belzec, Treblinka und anderen nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern in eine Reihe mit dem Mordkollektiv, das diesen Horror erst möglich machte.

Einen solchen geschichtsvergessenen Gedenktag möchten wir, die wir uns in der Tradition des antifaschistischen Widerstandskampfes begreifen, nicht haben. Wir gedenken nicht der deutschen Täter und lehnen die Verwischung der Grenzen zwischen Opfern und Tätern ab. Wir gedenken der Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden, der unzähligen Kommunistinnen und Kommunisten, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und bekennenden Christinnen und Christen, die gegen den faschistischen Terror kämpfend, ihr Leben lassen mussten. Wir gedenken den Soldatinnen und Soldaten der Anti-Hitler-Koalition sowie der Partisaninnen und Partisanen, die im Kampf für die Befreiung Europas ums Leben kamen. Dazu bedarf es eines Volkstrauertages nicht.

Wir möchten klarstellen, dass es uns nicht darum geht den Angehörigen der im Krieg getöteten das individuelle Gedenken an ihre Angehörigen zu versagen. Jedoch ist dort, wo aus dem individuellen Gedenken an die im Krieg gestorbenen Verwandten und Freunde ein kollektiver Akt wird, dieser zu hinterfragen. Im Falle des Volkstrauertages hat sich eine Tradition etabliert, an dem vielerorts politische Kräfte zusammen kommen, die die Kriegsschuld Deutschlands oder sogar die deutschen Verbrechen offen leugnen oder verharmlosen.

Gegen Naziaufmärsche

So verwundert es uns nicht, dass ausgerechnet jene politischen Kräfte den Gedenktag nutzen, denen an der Umdeutung der Geschichte am meisten gelegen ist, den deutschen Neonazis. Die FaschistInnen haben längst ihre eigene Interpretation des Volkstrauertages entwickelt. Bei ihnen heißt der Volkstrauertag etwas direkter und pathetischer „Heldengedenken“. Schon zu NS-Zeiten wurde der Volkstrauertag in Heldengedenken umbenannt. Die heutigen Nazis halten an dieser Tradition fest. Sie rufen offen dazu auf, nicht den Opfern des Naziterrors vor und während des Zweiten Weltkrieges zu gedenken, sondern lediglich der toten Deutschen aus SS, Wehrmacht und Zivilbevölkerung. Für die heutigen Nazis sind jene, die den Vernichtungskrieg und den millionenfachen Mord an den europäischen Juden ausführten, Helden. Die FaschistInnen stehen damit für eine noch offensivere Geschichtsumdeutung und NS-Verharmlosung als die bürgerlichen VolkstrauertagsbefürworterInnen.

In Thüringen haben die Neonazis bereits ein festes Programm etabliert. Morgens gedenken die Neonazis ihren Helden in vielen Thüringer Städten und Gemeinden an Kriegsdenkmälern mit Kränzen, Andachten und zum Teil auch Reden. Hervorzuheben ist hier das morgendliche Gedenken an der Schmücke am Grab eines unbekannten deutschen Soldaten. Dort gedenken jährlich dutzende Neonazis aus Süd- und Mittelthüringen. Bezeichnend dabei ist, dass oftmals die Neonazi-Aktivisten zusammen mit Mitgliedern des Bundes der Vertriebenen (BdV) gedenken. Dort scheint es kaum Berührungsängste zu geben. Am Nachmittag des Volkstrauertages trafen in den vergangenen Jahren Neonazis aus ganz Thüringen in Friedrichroda zusammen, um ihren traditionellen Fackelmarsch durchzführen. Seit Jahren marschieren dort nun immer mehr Neonazis durch die Kleinstadt. Auch ist zu beobachten, dass sich Teile der Bevölkerung des Ortes in dieses Gruselkabinett einreihen und mitmarschieren. In diesem Jahr demonstrieren die Thüringer Neonazis erstmals schon am Vorabend des Volkstrauertag mit Fackeln durch Arnstadt.

Der Fackelmarsch in Friedrichroda ist zu einem festen Termin im Thüringer Eventkalender der Neonazis geworden, ohne durch wahrnehmbare antifaschistische Proteste behelligt worden zu sein. Damit soll nun Schluss sein. Für den 15. November ruft ein antifaschistisches Bündnis zu einer Gegendemonstration in Friedrichroda auf. Wir wollen dem ungestörten Treiben der FaschistInnen in Friedrichroda ein Ende bereiten und dafür Sorge tragen, dass dieser Aufmarsch in Zukunft nicht mehr stattfinden kann.

Gegen Geschichtsrevisionismus und deutsche Opfermythen!
Stoppen wir den Naziaufmarsch!
Volkstrauertag abschaffen!


Antifa Bündnis Gotha im Oktober 2009



Das Antifa Bündnis Gotha besteht aus:

- AG212 - Antifa Gotha / Bad Langensalza

- Young Socialists / Linksjugend Gotha

- Antifaschistische Gruppe Südthüringen (AGST)


Aufruf und Aktionen werden unterstützt von:

- Aktionsbündnis gegen rechte Gewalt Gotha

- Infoladen Arnstadt

- Antifaschistische Gruppe Ilmenau (AGIL)


Wer uns unterstützen will, kann sich per Mail an agst@riseup.net wenden!