26. Oktober 2012
Für Alternative, Migrant*innen und viele Jugendliche verbreitet die Anwesenheit von
Polizei kein Gefühl von Sicherheit, sondern ist Grund zur Sorge und schürt Angst.
Selbst bei Bedrohungsszenarien ist sie selten ein Anlass zum Aufatmen.
Grund dafür sind ständige Schikanen gegen all jene, die den gutbürgerlichen
Verhältnissen gegenüber stehen, die als Gefahr wahrgenommen werden und gegen die
mit Hilfe von Feindbildern vorgegangen wird. Der Begriff Gefahr bezieht sich hierbei nicht
nur auf die mögliche Beschädigung von Personen, Tieren und Dingen, sondern als erstes
auf eine mögliche Schädigung der öffentlichen Ordnung.
Die ordentlich gekämmten Nazi-Kameraden fallen nicht darunter. Immerhin gefährden sie
nicht die wohlgehütete Sauberkeit der Touristeninnenstadt. Alternative und migrantisch
Aussehende werden dagegen als Bedrohung der öffentlichen Ordnung angesehen und
Angriffe auf sie durch Nazis nicht ernst genommen. Sie werden meist nach Naziübergriffen
belächelt und gelegentlich wird ihnen die Schuld am Angriff selbst gegeben.
Frei nach dem Motto: „Wer anders aussieht, gehört hier nicht her“.
Deutlich zeigte sich diese Einstellung nachdem im Juli diesen Jahres eine Gruppe Nazis
Student*innen eines internationalen Colleges tätlich angriff. Die Polizei nahm die
Betroffenen nicht ernst, empfahl die Angreifer nicht als Nazis zu benennen, redete von
bloßen Konflikten und scherzte mit den Kameraden.
Im Sommer 2008 wurde die jährlich stattfindende Punker-Bootstour von Nazi-Hooligans
angegriffen. Dieser Angriff wurde im Vorfeld von einem stadtbekannten Schlägernazi
angekündigt. Nachdem der Überfall erfolgreich abgewehrt wurde, kam es zu mehreren
Festnahmen auf Seiten der Punks. Deren Notwehrhandlungen wurden unter anderem als
schwere Körperverletzung kriminalisiert. Einen politischen Hintergrund habe es nicht
gegeben. Die Polizeidirektion Erfurt erklärte lediglich, dass die Angreifer ZITAT “der
Erfurter Hooliganszene” zuzurechnen seien.
Überhaupt behauptet die Polizei, dass „die rechte“ Karte oft viel zu schnell gezogen
würde. So seien die Vorfälle vielleicht nicht frei von politischer Motivation, aber letzten
Endes seien sie eben unter Alkoholeinfluss und Aufkochen von Emotionen geschehen.
Doch die Polizei agiert nicht nur passiv durch Wegsehen und Herunterspielen. Auch aktiv
geht sie gegen alternatives Leben vor:
Beispielsweise stürmte sie im Juli diesen Jahres nach einer Party eine Wohnung in der
Andreasvorstadt. Begründet wurde der Einsatz mit Gefahr im Verzuge. Hierbei bedarf es
keiner richterlichen Anordnung – die Polizei handelt nach eigenem Ermessen. 12
Polizisten drangen in die Wohnung ein, schlugen die Anwesenden und fesselten sie auf
dem Boden. Auf die Frage, was dieser Einsatz solle, antwortete ein Polizist: ZITAT „Halt
die Fresse, du bist eh zu arm, um dir ein Gesetzbuch zu kaufen. Guck mal wie du
aussiehst“. Bis auf eine Person wurden alle Anwesenden der Wohnung verwiesen und ein
Mensch wurde in Gewahrsam genommen. ZITAT „Kannst froh sein, wenn du ihn wieder
siehst“, war die Antwort der Polizei auf die Frage nach dessen Verbleib.
Ebenso unangenehm sind die ständigen Kontrollen der Polizei in der Innenstadt. Für Ruhe
und Ordnung wird gesorgt. Mit einer guten Portion von Vorurteilen werden Leute
schikaniert und mit fadenscheinigen Begründungen Taschenkontrollen erzwungen. Es wird
ihnen z.B. unterstellt sie hätten Betäubungsmittel dabei oder hätten solche gerade erst
konsumiert. Natürlich ist so ein Vorgehen der Polizei in aller Öffentlichkeit für die
Betroffenen peinlich und brandmarkend. Denn umstehende Leute halten das Tun von
Autoritäten erst einmal für richtig.
Die Liste solcher Vorfälle ist recht lang, Beschwerden meist erfolglos. Im Allgemeinen ist
der Umgang von Polizei mit Antifaschist*innen auf Einschüchterung und Kriminalisierung
ausgelegt. Unnötiges Herumgeschubse und Beleidigungen stehen bei politischen
Veranstaltungen auf der Tagesordnung. Dabei wird immer wieder deutlich, worum es den
Ordnungshütern in Uniform geht: Äußerungen wie ZITAT “Verpiss dich du Fotze” oder “Ihr
könnt ja auch zu hause bleiben” zeigen den gewünschten Weg. Die Drohkulisse soll zur
Entpolitisierung junger Menschen führen, die sich politisch unbequem äußern.
Natürlich wollen wir mit unserer Aufzählung die Polizei nicht bitten sich uns gegenüber
netter, korrekter zu verhalten. Wir wollen keinen Wunsch nach Reformierung staatlicher
Institutionen äußern! Die Polizei ist ein Repressionsorgan. Ihre Aufgabe ist es die
Staatsgewalt zu vertreten und körperliche Gewalt anzuwenden. Dieses Gewaltmonopol
wird benutzt um die bestehende Ordnung aufrecht zu erhalten. Mit immer mehr
Befugnissen ausgestattet und entgegen jeder Beteuerung von Menschenrechten und
Menschenwürde wird dies gegen unerwünschte Teile der Bevölkerung umgesetzt. Der
imaginäre deutsche Normalbürger soll gegen inkriminierte Menschengruppen geschützt
werden. Dass die Polizei also Menschen, die sie für Nicht_deutsch hält, Menschen, die
nicht nach deutscher Leitkultur aussehen, Menschen die nicht aussehen als hätten sie den
herrschenden Arbeitsethos verinnerlicht, abwertend behandelt und vertreibt ist also kein
Resultat böser Macht missbrauchender Polizisten. Dieses Verhalten ist in der Institution
Polizei selbst begründet. Sie müssen sich so verhalten. Aufgabe der Polizei ist es die
bestehende Gesellschaftsordnung, den Kapitalismus zu schützen. Es entspricht ihrer
Charaktermaske, gesellschaftliche Gewaltverhältnisse mit körperlicher und psychischer
Gewaltanwendung durchzusetzen.
Deshalb kann unsere einzige Forderung nur sein:
Eine Gesellschaftsordnung, die Polizei und Repression erforderlich macht, abzuschaffen.
Für ein Leben ohne Grenzen!