500 auf antifaschistischer Frust-Demo

16. Oktober 2012

"Zu einer an­ti­fa­schis­ti­schen De­mons­tra­ti­on unter dem Motto “Der Frust muss raus! Kon­se­quent han­deln gegen Nazis, Ras­sis­mus und staat­li­che Re­pres­si­on!” ver­sam­mel­ten sich am Sams­tag, den 13. Ok­to­ber, über 500 Per­so­nen in der Er­fur­ter In­nen­stadt. Or­ga­ni­siert und vor­be­rei­tet wurde die Demo von Grup­pen aus dem Um­feld des po­li­ti­schen La­den­pro­jekts „veto“ im Er­fur­ter Nor­den, dar­un­ter AG17, wi­der­di­ena­tur, LiSE, In­fo­la­den Sa­bot­nik, al­ler­hand Ein­zel­per­so­nen und „Ras­sis­mus tötet!“-​Er­furt.

Aus­ge­hend von einer zu­neh­men­den An­zahl an Über­grif­fen von Nazis gegen Mi­grant*innen, Punks und Linke stau­te sich bei Be­trof­fe­nen, Un­ter­stüt­zer*innen und Sen­si­bi­li­sier­ten eine Menge Frust. Ur­säch­lich dafür ist eben­falls das Ver­hal­ten der Po­li­zei, die in güns­ti­gen Mo­men­ten im wahrs­ten Sinne des Wor­tes ein­fach mal zu­schlägt, und Be­hör­den, die die Szene mit Re­pres­si­on über­zie­hen. Auch die Stadt macht per Ver­ord­nun­gen immer wie­der deut­lich, wer er­wünscht ist und wer nicht.

Der Re­de­bei­trag der Frust-​De­mo-​Vor­be­rei­tungs­grup­pe stell­te diese Si­tua­ti­on dar, zeig­te aber auch auf, warum dies so pas­siert: Das herr­schen­de Klima in der Stadt be­güns­ti­ge das of­fe­ne Auf­tre­ten von Nazis und das Durch­füh­ren ihrer po­li­ti­schen Ak­tio­nen. Diese re­gis­trier­ten auf vie­len Ebe­nen, dass ihr Han­deln keine Kon­se­quen­zen nach sich ziehe. An­ti­fa­schis­mus müsse in die­ser Si­tua­ti­on zwei­er­lei hei­ßen. Zum einen kon­kre­ten Wi­der­stand gegen Nazis zu leis­ten, um ihre Hand­lungs­mög­lich­kei­ten ein­zu­schrän­ken und ihnen ihre Räume strei­tig zu ma­chen. Dabei dürfe sich aber nicht auf das Han­deln von Staat und Be­hör­den ver­las­sen wer­den. Und an­de­rer­seits müsse An­ti­fa­schis­mus auch hei­ßen, sich die ge­sell­schaft­li­chen Ent­ste­hungs­be­din­gun­gen zu ver­ge­gen­wär­ti­gen und in die Kri­tik zu neh­men.

Die an­ge­mel­de­te De­mons­tra­ti­on be­gann mit einer Auf­takt­kund­ge­bung um 16 Uhr auf dem We­ni­ge­markt, wo zahl­rei­che Pas­sant*innen und Tou­rist*innen den „Frus­trier­ten“ zu­schau­ten. Mit­tels Trans­pa­ren­ten, Schil­dern, einer hei­te­ren Mo­de­ra­ti­on und einem von Un­ter­stüt­zer*innen pro­du­zier­ten De­mo-​Song (http://​soundcloud.​com/​querbeatrecordz) konn­te die Stim­mung je­doch ge­ho­ben wer­den, auch wenn sie nicht an diese der ein­präg­sa­men Hände hoch-​Haus her-​De­mos her­an­reich­te. Spä­tes­tens seit der Räu­mung des Be­setz­ten Hau­ses im Jahr 2009 wurde deut­lich, dass Sub­kul­tur und eman­zi­pa­to­ri­sche Po­li­tik im wei­ßen, deut­schen und an­ge­pass­ten Er­furt kei­nen Platz fin­den – an die­sem Sams­tag wurde sich die­ser durch die De­mons­tra­ti­on ge­nom­men.

Am Fisch­markt an­ge­kom­men zeig­te sich die un­er­war­te­te Größe der Demo. Nur mit Mühe konn­ten die Stra­ßen­bahn­schie­nen frei­ge­hal­ten wer­den. An die­ser Stel­le ver­las die Er­fur­ter Flücht­lings­in­itia­ti­ve ihren Re­de­bei­trag, der ein­dring­lich auf die ras­sis­ti­schen Po­li­zei­kon­trol­len in Stadt und Bahn­hof hin­wies. (Die Un­ter­stüt­zung von kämp­fen­den Flücht­lin­gen ist in Er­furt schon län­ger Thema.) Das Thema Ras­sis­mus wurde je­doch auch aus ge­sell­schafts­theo­re­ti­scher Per­spek­ti­ve auf­ge­grif­fen: Der Re­de­bei­trag der Er­fur­ter Grup­pe der „Ras­sis­mus-​tö­tet!“-​Kam­pa­gne ana­ly­sier­te Ras­sis­mus im Rah­men der ka­pi­ta­lis­ti­schen Kon­sti­tu­ti­on die­ser Ge­sell­schaft und fügte his­to­ri­sche Be­trach­tun­gen bei. Die An­ti­fa Arn­stadt-​Il­menau ver­hielt sich mit ihrem Re­de­bei­trag kri­tisch, aber so­li­da­risch zur De­mons­tra­ti­on. Sie wie­sen dar­auf­hin, dass Ras­sis­mus ein ge­sell­schaft­lich not­wen­di­ges Ver­hält­nis sei, dem nicht durch eine Auf­klä­rung bei­zu­kom­men ist. In die­sem Zu­sam­men­hang muss sich der Kreis der Vor­be­rei­ten­den zu recht da­nach fra­gen las­sen, mit wel­chem An­spruch man an die­sem Tag auf die Stra­ße ge­gan­gen ist und ob die­ser sich ein­ge­löst hat.

Nach wei­te­ren Zwi­schen­kund­ge­bun­gen in der Stadt, wel­che teils an Orten von Über­grif­fen, wie dem Anger, statt­fan­den, muss­te die De­mons­tra­ti­ons­rou­te, auf­grund der hohen Teil­neh­mer*in­nen­zahl ver­än­dert wer­den. An­statt sich hin­ter der Krä­mer­brü­cke zu ver­sam­meln um dort eine wei­te­re Zwi­schen­kund­ge­bung ab­zu­hal­ten, de­le­gier­te das Ord­nungs­amt die De­mons­tra­ti­on zu­rück zum We­ni­ge­markt. Damit wurde sich je­doch nicht zu­frie­den ge­ge­ben. Spon­tan zog der De­mons­tra­ti­ons­zug über die enge Krä­mer­brü­cke und er­hielt von über­rasch­ten An­lie­gern sym­pa­thi­sie­ren­de Zu­ru­fe. „Wan­delt Frust in Wi­der­stand!“, ein Slo­gan der De­mons­tra­ti­on, wurde im kleins­ten Maße wirk­mäch­tig, indem sich die Teil­neh­mer*innen ihren ei­ge­nen Weg durch die Stadt such­ten – der Lauti holte die Menge nach einem klei­nen Umweg wie­der ein. Im An­schluss konn­ten die letz­ten bei­den Kund­ge­bun­gen statt­fin­den.

Der letz­te Re­de­bei­trag von der Un­ter­stüt­zungs­grup­pe eines An­ti­fa­schis­ten, der Be­trof­fe­ner eines Na­zi­an­griffs war und von der Po­li­zei an­ge­klagt wurde, be­ton­te ein letz­tes Mal eine Haupt­bot­schaft der De­mons­tra­ti­on: “An­ti­fa­schis­ti­scher Selbst­schutz ist in Er­furt not­wen­dig!” Die Mo­de­ra­ti­on wies noch­mals dar­auf­hin, dass diese De­mons­tra­ti­on nur ein An­fang bzw. Teil des Kamp­fes gegen Ras­sis­mus, Se­xis­mus, Na­tio­na­lis­mus und An­ti­se­mi­tis­mus sein kann auf dem Weg in eine, noch so ferne, so­li­da­ri­sche Ge­sell­schaft.

In die­sem Sinne kün­dig­ten die vor­be­rei­ten­den Grup­pen der Frust-​De­mo eine Re­fle­xi­on an, die sich kri­tisch mit dem ei­ge­nen An­spruch und des­sen (Nicht-​)Ein­lö­sung aus­ein­an­der­set­zen soll. Wir freu­en uns auf an­re­gen­de Ge­dan­ken zur Frage, wel­cher Be­deu­tung der Ak­ti­ons­form „De­mons­tra­ti­on“ in einer der­art ideo­lo­gisch ge­fes­tig­ten Ge­sell­schaft noch zu­kom­men kann.

Wei­ter­hin wurde für No­vem­ber eine Bro­schü­re an­ge­kün­digt, die sich mit den ak­tu­el­len Ent­wick­lun­gen aus­ein­an­der­setzt, diese do­ku­men­tiert und Be­trof­fe­ne sowie Ak­teur*innen zu Wort kom­men lässt."

Quelle: sabotnik.blogsport.de, indymedia.org

desweiteren haben die Filmpiraten ein Video zur Demo veröffentlicht: