Im Osten nix Neues

Gedanken und Eindrücke zum Besuch des NPD Flaggschiffes

08. August 2012

Dass Nazis einfache Antworten auf komplizierte Fragen der Wirklichkeit geben ist allgemein bekannt. Auch über den erfolgreichen Protest am vergangenen Montag ist zur Genüge berichtet worden. Klar ist auch, dass Erfurter Nazis eine solche Kundgebung besuchen und Antifaschist_innen böse angucken und anpöbeln.
Wir wollen einen etwas anderen Eindruck der Proteste darlegen.
Als couragierte Bürger_innen begehrt man natürlich auf, wenn die Nazis die Frechheit besitzen sich so sichtbar in der eigenen Stadt zu machen. Auch als Innenminister muss man da schon mal sein Gesicht medienwirksam in die Kamera halten. Aber stellen wir uns doch mal vor, hätte Bürger_in XY ein Mikrofon in der Hand und würde die gleichen Plattitüten, wie die Nazis verbreiten. Mindestens bei Thilo Sarrazin kann man dann sehen, dass er auf viel Zuspruch stößt und „endlich sich wieder einer traut, die Wahrheit auszusprechen“. Vielleicht stellen wir uns das aber lieber nicht vor und bleiben statt dessen beim letzten Montag.
Nicht nur, dass das Trällern der Pfeifen und das Hühnergegackere aus der Flüstertüte in 100 Metern Entfernung rein gar nichts überdeckt und das Ausharren in der Blockade ziemlich unerträglich macht, das Lob und die Freude über das eigene Engagement ist schlicht fehl am Platz, wenn die Kritik bei Menschen, die Nazis heißen, aufhört.

Und spätestens wenn man sich am Montag ein bisschen umgeschaut hat, muss man bemerken, dass in Erfurt mächtig was verkehrt läuft. Schade, dass die offiziellen Medien folgendes nicht berichten!
Da wird ein DGB-Stand von Patrick Wieschke, Tobias Kammler und Konsorten attackiert und die Polizei guckt brav zu und nimmt nur äußerst widerwillig entsprechende Anzeigen auf. Polizist_innen reden vor, während und nach der ganzen Veranstaltung vereinzelt sehr kameradschaftlich mit den Kameraden. Man bekommt zwangsläufig den Eindruck, dass sich hier Bekannte treffen. Das Feindbild für die Polizei steht wenigstens in Erfurt ganz eindeutig links. Aggressionen werden ungehindert freien Lauf gelassen. Die Uniform macht' s möglich.
Einer der Eierwerfer traf versehentlich einen Polizisten, statt die Sache mit Humor zu nehmen oder einfach als Versehen zu betrachten wurde der „Täter“ brutal weggeschliffen und zusammen geschlagen. Ein Radfahrer, der gegen die äußerst brutale Verhaftung protestierte, wurde, nachdem ein Erfurter BFE Polizist ihn anschrieh, von seinem Fahrrad gezerrt und nicht minder brutal festgenommen. Andere Protestierende wurden ebenfalls abgeführt oder mindestens aggressiv belehrt.
Angesichts solchen Verhaltens der Erfurter Polizei, fällt es schwer den wachsenden Frust und Unmut in Worte zu kanalisieren. Besonders in den letzten Wochen hat uns die Polizei klar gemacht, dass wir rein gar nichts von ihr zu erwarten haben. Erfurter Polizisten_innen behandeln linke Opfer rechter Brutalität oft mit Gewalt, bringen Taten nicht in Zusammenhang, plaudern mit Nazis, beleidigen migrantische Opfer und begleiten, wie vor etwa 2 Wochen eine kleine Demonstration gegen Polizeiwillkür, die maximal 40 Menschen auf die Straße zog, mit einem Aufgebot, dass wie seine eigene Parodie anmutet. Ganz zu Schweigen von dem unrechtmäßigen Filmen der Demonstration.

Die zahlreichen Protestteilnehmer_innen, die am Montag auf der Straße waren, ermöglichen es der Stadt Erfurt, sich als weltoffene und vermeintlich tolerante Stadt ohne Naziprobleme darzustellen. Das tatsächliche Naziproblem kann so einfach wegignoriert werden und die Touristenstadt bleibt „sauber“.
Von anhaltender Polizeigewalt und dem durch die Nazis forcierten "Kampf um die Straße" berichten die offiziellen Medien leider nicht. Sie verharren in Lobpreisung für das Bürgerengagement. Doch in Wahrheit ist es so, dass die netten Bürger_innen für uns die Garantie waren, dass die Polizei nicht völlig ausrastet und den radikalen linken Flügel einfach von der Straße prügelt.

Video: Verhältnismäßige Polizeigewalt bei NPD-Protesten in Erfurt?