[Chile] Ein weiterer 11. September

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  • [Materiales] 40 Jahre nach dem Putsch
  • [PointBlank!] Seltsame Niederlage: Die chilenische Revolution, 1973
  • [Comunidad de lucha] Diktatur oder Demokratie? Demokratie und Diktatur!
  • [GCI-ICG] Chile: Das Ende der UP und das Wiederauftauchen des Proletariats

[Materiales] 40 Jahre nach dem Putsch

Quelle auf Spanisch: https://materialesxlaemancipacion.espivblogs.net/2020/09/09/a-40-anos-del-golpe-desmitificar-nuestra-historia-romper-con-toda-idolatria-y-continuar-la-lucha-revolucionaria-por-fuera-y-en-contra-de-la-institucionalidad-capitalista/

Proletarische Revolutionen dagegen, wie die des neunzehnten Jahrhunderts, kritisieren beständig sich selbst, unterbrechen sich fortwährend in ihrem eignen Lauf, kommen auf das scheinbar Vollbrachte zurück, um es wieder von neuem anzufangen, verhöhnen grausam-gründlich die Halbheiten, Schwächen und Erbärmlichkeiten ihrer ersten Versuche, scheinen ihren Gegner nur niederzuwerfen, damit er neue Kräfte aus der Erde sauge und sich riesenhafter ihnen gegenüber wieder aufrichte, schrecken stets von neuem zurück vor der unbestimmten Ungeheuerlichkeit ihrer eigenen Zwecke, bis die Situation geschaffen ist, die jede Umkehr unmöglich macht, und die Verhältnisse selbst rufen. Hic Rhodus, hic salta! Hier ist die Rose, hier tanze!“ Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte

Das Subjekt historischer Erkenntnis ist die kämpfende, unterdrückte Klasse selbst. Bei Marx tritt sie als die letzte geknechtete, als die rächende Klasse auf, die das Werk der Befreiung im Namen von Generationen Geschlagener zu Ende führt. Dieses Bewußtsein, (…) war der Sozialdemokratie von jeher anstößig. (…) Sie gefiel sich darin, der Arbeiterklasse die Rolle einer Erlöserin künftiger Generationen zuzuspielen. Sie durchschnitt ihr damit die Sehne der besten Kraft. Die Klasse verlernte in dieser Schule gleich sehr den Haß wie den Opferwillen. Denn beide nähren sich an dem Bild der geknechteten Vorfahren, nicht am Ideal der befreiten Enkel.“ Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte

Und wenn wir bei der nächsten Revolution der Reaktion (…), so haben wir unsere Angelegenheiten nur einer Repräsentativregierung anzuvertrauen, einem Ministerium, bekleidet mit allen Machtbefugnissen, die es heute besitzt. Die reaktionäre Diktatur — vorerst rötlich angehaucht, dann allmählich bläulicher und blauer werdend, je sicherer sie sich im Sattel fühlt – wird nicht lange auf sich warten lassen. Sie wird alle Werkzeuge zur Ausübung ihrer Herrschaft zu ihrer Verfügung haben, sie wird dieselben immer wieder zu ihren Diensten bereit finden.“ Piotr Kropotkin, Die repräsentative oder parlamentarische Regierungen

Wir können nicht als ausgebeutete Menschen, die danach streben, nicht mehr ausgebeutet zu werden, unsere Geschichte auf die bloße Chronologie scheinbar isolierter Ereignisse, auf die nostalgische Mythisierung der Vergangenheit, auf die ideologische Wiederbelebung, die die Dutzenden von Versionen (von links und rechts), in denen die „Partei der Ordnung“ dargestellt wird, zu verüben versuchen, reduzieren1. Unser Blick auf die verschiedenen Erfahrungen, die im Laufe der Jahre die aufgezwungene Gesellschaftsordnung in Frage gestellt haben und aus denen wir die unausweichliche Notwendigkeit des revolutionären Sturzes der kapitalistischen Beziehungen und Institutionen verstanden haben, die für die Aufrechterhaltung der Bedingungen des allgemeinen Elends verantwortlich sind, muss sich in einem Bruch mit all diesen historischen Deformationsversuchen positionieren, wenn wir aufrichtig nützliche Lehren aus der Vergangenheit ziehen wollen, um uns der Gegenwart zu stellen. Das bedeutet natürlich nicht, dass eine „objektive“ Überprüfung der historischen Prozesse gefordert wird. Ein solcher akademischer Anspruch würde eine neutrale Position erfordern, die es einfach nicht gibt. Im Gegenteil, wir streben eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte an, die in der Lage ist, die wahren Möglichkeiten zu verstehen, die bestimmte Phänomene und Erfahrungen verkörpern, und gleichzeitig zu versuchen, ihre Fehler und Grenzen zu erahnen, ohne den sozialhistorischen Kontext, in dem sie entstehen, außer Acht zu lassen. Und vor allem suchen wir die Antworten auf die Niederlagen unserer Klasse nicht in den „Fehlern“, die die politischen Cliquen, die sich die Vertretung des „Volkes“ anmaßen, vielleicht gemacht haben, sondern genau in denjenigen, in deren Namen sie handeln sollten. In diesem Sinne retten wir das rebellische Erbe jener subversiven Erfahrung, die das kalte Wasser der chilenischen kapitalistischen Gesellschaft in den 60er und 70er Jahren erschütterte und die Reaktion zwang, ihre blutrünstigsten Mittel einzusetzen, um ihr Einhalt zu gebieten – als Teil der weltweiten Reaktion auf die große revolutionäre Welle, die in dieser Zeit die ganze Welt erschütterte – durch den Militärputsch und die härteste Unterdrückung durch den Sicherheitsapparat der Diktatur. Auf jeden Fall ist es wichtig zu verstehen, dass eine solche Niederlage durch die Deaktivierung der radikalen Erfahrungen, die die Sozialdemokratie in den vergangenen Jahren gemacht hat, immens begünstigt wurde, ein Prozess, der praktisch den gesamten politischen Apparat kompromittiert, der sich selbst als revolutionär bezeichnete und direkt am bürgerlichen Staat teilnahm oder als dessen „kritischer“ linker Flügel agierte.

Auf diese Weise wird der offizielle demokratische Diskurs, der zur „nationalen Versöhnung“, zur „Überwindung der Trennungen der Vergangenheit“ aufruft, um „in die Zukunft zu blicken“, um ein „nie wieder“ zu schwören, das auf dem Respekt vor der demokratischen (und daher bourgeoisen) Institutionalität beruht, als klassische Machtressource dargestellt, um jede Möglichkeit eines radikalen Bruchs mit der Reproduktion des Kapitalismus diskursiv zu leugnen. Und in diesem Sinne stellt sie keine Neuheit dar. Aus dem gleichen Grund verdient die Entwicklung einer detaillierteren Kritik an der Politik derer, die sich so deutlich als Todfeinde jeder Aktivität zeigen, die das bestehende Elend in Frage stellt, nicht den Aufwand an Energie für die hier vorgeschlagenen Zwecke. Es ist notwendig, zu einem wirklichen Verständnis der Rolle beizutragen, die der gesamte als „Linke“ bekannte politische Sektor mit all seinen Nuancen bei der Aufrechterhaltung der klassenbasierten Sozialordnung spielte und weiterhin spielt. Natürlich ist dies keine leichte Aufgabe in einem Milieu, das an die gleiche antikapitalistische Kritik und Aktion und Mitgliedschaft – doktrinär und militant – der Linken glaubt. Für uns geht es nicht darum, „radikaler“ zu spielen, indem wir Feinde aufwerfen, wo man traditionell „Weggefährten“ zu sehen pflegte, sondern diese Beziehungslogiken zu kritisieren – einschließlich natürlich der Selbstkritik, Organisationsmittel und ideologische Überzeugungen derjenigen, die historisch so getan haben, als würden sie im Namen „der Arbeiterklasse“, „des Volkes“, „der Unterdrückten“ handeln, oder wie auch immer sie uns umständehalber die Ausgebeuteten nennen mögen, in dem Versuch, zur Vorhut einer Bewegung zu werden, die sie ständig übertrifft. Dies ist nicht der Raum für eine tiefgreifendere Kritik, die die historischen Wurzeln der Linken als eine politische Fraktion analysiert, die einem bestimmten Herrschaftssystem innewohnt, und die die logisch-theoretischen Argumente systematisiert, die dazu führen, die revolutionäre Bewegung des Proletariats notwendigerweise als antipolitisch zu verstehen, in dem Sinne, dass sie nur revolutionär sein kann, indem sie einen kommunistisch/anarchistischen Inhalt zum Ausdruck bringt, die Bewegung, die dazu neigt, mit allen Trennungen zu brechen, die durch die Ausübung von Gewalt durch die Klassenteilung der menschlichen Gesellschaft eingeführt und aufrechterhalten werden. Es ist jedoch notwendig, sich darüber im Klaren zu sein. Die Linke wurde als jenes politische Spektrum bezeichnet, das (ehrlich in einigen Fällen, eklatant falsch in vielen anderen) die kollektiven Interessen derjenigen zu verteidigen und zu vertreten sucht, die am eigenen Leib unter dem Unglück der kapitalistischen Ausbeutung leiden (und die je nach dem historischen Kontext und der jeweiligen Ideologie mit unterschiedlichen Namen bezeichnet wurden – Arbeiter, Bauern, Arme, Unterdrückte, Populäre). Das Wichtigste ist, dass die Linke in Bezug auf das Politische, auf die Verwaltung der Gesellschaft existiert – in der überwiegenden Mehrheit der Fälle bedeutet dies, dass diese Verwaltung durch den Staat ausgeübt wird. Und innerhalb dieses Spektrums politischer Äußerungen wurden einige als „reformistisch“ und andere als „revolutionär“ eingestuft. Im Allgemeinen wird eine solche Klassifizierung eher in Bezug auf methodische als auf inhaltliche Fragen vorgenommen. Zum Beispiel wird oft argumentiert, dass „Reformer“ diejenigen sind, die an die Wahlurne rufen, um einen sozialen Wandel herbeizuführen, der mehr Gerechtigkeit, Gleichheit, Teilhabe usw. gewährleistet, und „Revolutionäre“ diejenigen, die dasselbe erreichen wollen, aber mit aufständischen Mitteln. In jedem Fall gibt es bei einer solchen Klassifizierung eine ganze Farbskala (vom gelbsten bis zum dunkelsten Rot). Das Politische, die Bestimmung der Verwaltung der Gesellschaft, ist möglich, wenn man eine mehr oder weniger zentralisierte Macht besitzt. Mit anderen Worten: Das Politische existiert immer, in der einen oder anderen Form, und unabhängig davon, ob diejenigen, die sich „politisch“ um den Staat (in der Form, in der er dargestellt wird) organisieren, es akzeptieren wollen oder nicht. Wenn also die menschliche Gemeinschaft, die wir auf revolutionäre Weise aufbauen wollen, das Ende jeder Art von Herrschaft bedeutet und damit die Abschaffung der sozialen Hierarchie, die Aufrechterhaltung getrennter, auf Machtausübung spezialisierter Bereiche menschlicher Tätigkeit, dann kann das nur bedeuten, dass entweder der revolutionäre Prozess besiegt wurde oder dass es noch reaktionäre Kräfte auf der Bildfläche gibt. Dies ist im Grunde die Wurzel der Notwendigkeit einer Bewegung, die die Politik leugnet und überwindet, sowohl die offizielle als auch die angeblich revolutionäre. Das führt nun nicht zur Blindheit, alle als politisch identifizierten Äußerungen in einen Topf zu werfen. Wir müssen in der Lage sein, den wirklichen Inhalt der sozialen Phänomene und der hier und überall in der Welt erzeugten Handlungsvorschläge jenseits der Worte, auf die sie sich zu ihrem Ausdruck berufen, zu entdecken. So müssen wir auch unterscheiden zwischen dem, was als eine direkt von der herrschenden Klasse bestimmte Form der Kooptierung dargestellt wird, um die Zunahme der Sozialkritik in den Handlungen einzudämmen, und dem, was authentische Äußerungen der Klasse bei ihrer Suche nach einer genaueren Interpretation ihrer unmittelbaren und historischen Realität darstellt, Äußerungen, die im Übrigen auch kritisiert werden können und sollten. Deshalb ist es eine Sache, Versuche der Kooptierung von Macht anzugreifen, und eine andere, Versuche, den eigenen Kampf in die Sprache der herrschenden Ideologie zu übersetzen, zu kritisieren – so scharf und direkt wie nötig. Und was fast immer passiert, ist, dass diese beiden Situationen miteinander vermischt werden. Was in der Tat während der sozialdemokratischen Regierung der UP (A.d.Ü., Unidad Popular) akzentuiert wurde.

Kurz gesagt, die Rolle, die die Linke (institutionell und „revolutionär“, freiwillig oder unfreiwillig) in Kontexten großer gesellschaftlicher Umwälzungen und des Auftretens von Rissen in der Reproduktion des kapitalistischen Systems spielt, ist keine andere als die, den Antrieb und die Kreativität der Klasse im Kampf einzudämmen, ihre Repräsentativität zu kapern und ihr revolutionäres Potenzial in Formen gefügiger „Konfrontation“ und in Zielen zu zerstreuen, die in der Logik der herrschenden Ideologie formuliert sind. Die Linke, die die Linke des Kapitals ist, sucht nichts anderes als die gerechteste Verwaltung der kapitalistischen Ausbeutung, und wenn sie sich als unfähig erweist, den proletarischen Vormarsch einzudämmen, wenn sie die Grenzen der Praxis erahnt, die die Ideologien und Parteiorganisationen ihr auferlegen, wenn sie beginnt, ihre wirklichen Möglichkeiten zu verstehen und bewusst und autonom die Instrumente zu schaffen, die ihren Emanzipationsbedürfnissen entsprechen, dann bringt die Dynamik des Kapitals sein ganzes Terrorarsenal zum Vorschein, um eine viel direktere repressive Rolle zu spielen. Die Bourgeoisie hat sich nie darauf beschränkt, auf systematische politische Gewalt zurückzugreifen, die entweder direkt von ihren Strafverfolgungsbehörden oder von Einrichtungen, die ausschließlich für die Ausbreitung des Staatsterrorismus geschaffen wurden, ausgeübt wird, wenn ihre Interessen in unmittelbarer Gefahr sind. In diesem Sinne entsteht die Diktatur nicht gegen die Demokratie; sie ist die Fortsetzung ihrer Aufgabe, wenn sie sich als ohnmächtig erweist oder wenn die Anwendung drastischer Veränderungen in der Struktur und Form der kapitalistischen Ausbeutung erforderlich ist, Prozesse, die gewöhnlich Hand in Hand gehen.

Wenn sich die Kooptation als unzureichend erweist, bleibt nur die „Vernunft der Gewalt“ verfügbar. Der Putsch vom 11. September muss daher als ein Angriff des Kapitals auf die proletarischen Kämpfe verstanden werden, die sich intensivierten und vervielfachten, wobei in vielen Fällen die UP ausdrücklich kritisiert und überwunden wurde, die sich trotz der Entwaffnung der radikalsten Erfahrungen als unfähig erwies, die kapitalistische Ordnung aufrechtzuerhalten, eine Ordnung, die sie im Grunde nie in Frage stellen wollte. Offensichtlich kommen immer die Partikularinteressen verschiedener Blöcke oder Gruppen ins Spiel, wobei die Unterstützung der USA für die Staatsstreichmanöver der politischen Rechten berüchtigt ist. Aber hinter den spektakulären Kämpfen zwischen links und rechts steht die Kontinuität der bourgeoisen Reaktion auf die Entwicklung des kommunistischen Inhalts, den die proletarischen Kämpfe hervorbringen. In diesem Prozess ist es, wie wir bereits gesagt haben, unbestreitbar, dass viele und viele Militante, die eine klarere Interpretation der gesellschaftlichen Realität entwickelten, zu einigen der Parteien gehörten, die sich als revolutionär ausgaben. Dies muss jedoch relativiert werden. Schon die Zeugnisse dieser Militanten zeigen, wie unfähig sie waren, die sich vervielfachenden Selbstverwaltungserfahrungen zu führen.

Heute, von den zaghaften Behauptungen der Sektoren, die sich der regierenden Institutionalität anschließen und „Gerechtigkeit“ fordern, damit eine „reife Demokratie“ existieren kann (und durch die bourgeoise Gerichte ist dies natürlich mehr eine rhetorische Ressource als eine wirkliche Forderung), bis hin zu den Rufen nach dem Wiederaufbau der „Einheit der Linken von unten“, wobei die UP als direkte Form genommen wird, finden wir heute den gleichen roten Faden, die gleiche ideologische und programmatische Essenz: zu glauben, dass wir zum Sozialismus fortschreiten, indem wir Reformen anhäufen, dass die Wirtschaft gerechter werden kann und dass die Demokratie vertieft werden kann. Und all dies geschieht, wenn man anerkennt, dass es nicht das „ultimative Ideal“ ist, das man anstrebt, sondern eine Frage der Strategie, auf der Grundlage der Begrenzung der Fähigkeiten des Proletariats als Ganzes, eine radikale Kritik zu üben und Erfahrungen, Räume und Beziehungen zu schaffen, die sich zutiefst unterscheiden und denen entgegengesetzt sind, die von der kapitalistischen Gesellschaft repliziert werden.

Aus all diesen Gründen haben wir beschlossen, die folgenden Texte in dieser Zusammenstellung rund um den Staatsstreich vom 11. September zusammenzustellen, die die Arbeit der Sozialdemokratie während der UP untersuchen und versuchen, die Widersprüche zu erfassen, die in diesem Prozess deutlich gemacht wurden und dazu neigen, den reformistischen und institutionellen Rahmen zu kritisieren und zu überwinden. Jenseits aller offengelegten Differenzen ist der Schmerz, der durch die blutige Unterdrückung der Diktatur (sei es gegen politische Kader, Aktivisten ohne Partei oder Menschen ohne Militanz) entfesselt wurde, auch der unsere, und jedes einzelne der von Bullen, Milizen und Agenten der „Geheimdienst“-Apparate getöteten Menschenleben ist ein Grund mehr, auf die Zerstörung dieses anomalen Systems hinzuarbeiten. Der Moment rückt näher, in dem diejenigen, die diese Welt des Elends aufrechterhalten, erfahren werden, dass, wie der Anarchist Paulino Pallas sie vor mehr als einem Jahrhundert vor seiner Hinrichtung warnte, dass „die Rache schrecklich sein wird“.

Zeitschrift „Revolution bis zum Ende – Revolución hasta el fín“ / Chile – 2014

1 Marx zufolge hatten sich während der revolutionären Ereignisse in Frankreich von 1848 bis zum Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 alle reaktionären Schichten der Gesellschaft in einer „Partei der Ordnung gegen die proletarische Klasse, als Partei der Anarchie, des Sozialismus, des Kommunismus“ zusammengeschlossen. (K. Marx, Der 18. Brumaire von Louis Bonaparte, 1852)

Deutsche Übersetzung: https://panopticon.noblogs.org/post/2024/04/03/chile-40-jahre-nach-dem-putsch/

[PointBlank!] Seltsame Niederlage: Die chilenische Revolution, 1973

Quelle auf Englisch: https://libcom.org/article/strange-defeat-chilean-revolution-1973-pointblank/

I

In der spektakulären Arena der als „Nachrichten“ anerkannten Ereignisse wurde das Begräbnis der Sozialdemokratie in Chile von denjenigen als großes Drama inszeniert, die den Aufstieg und Fall von Regierungen intuitiver verstehen: andere Spezialisten der Macht. Die neuesten Szenen des chilenischen Drehbuchs wurden in verschiedenen politischen Bereichen entsprechend den Anforderungen bestimmter Ideologien geschrieben. Einige sind gekommen, um Allende zu begraben, andere, um ihn zu loben. Wieder andere behaupten, seine Fehler ex post facto1 anzuerkennen. Welche Gefühle auch immer zum Ausdruck gebracht werden, diese Nachrufe wurden lange im Voraus verfasst. Die Organisatoren der „öffentlichen Meinung“ können nur reflexartig und mit einer charakteristischen Verzerrung der Ereignisse selbst reagieren.

Während die jeweiligen Blöcke der Weltmeinung „ihre Seite wählen“, wird die chilenische Tragödie im internationalen Maßstab als Farce reproduziert; der Klassenkampf in Chile wird als Pseudokonflikt zwischen rivalisierenden Ideologien getarnt. In ideologischen Diskussionen wird nichts von denen zu hören sein, für die der „Sozialismus“ des Allende-Regimes angeblich gedacht war: die Arbeiter*innen und Bäuer*innen. Ihr Schweigen wurde nicht nur von denen zugesichert, die sie in ihren Fabriken, Feldern und Häusern mit Maschinengewehren bewaffnet haben, sondern auch von denen, die vorgaben (und weiterhin vorgeben), ihre „Interessen“ zu vertreten. Trotz tausend Fälschungen sind die Kräfte, die an dem „chilenischen Experiment“ beteiligt waren, noch nicht erschöpft. Sein wirklicher Inhalt wird sich erst herausstellen, wenn die Formen seiner Interpretation entmystifiziert sind.

Vor allem Chile hat die so genannte Linke in allen Ländern fasziniert. Und indem sie die Gräueltaten der gegenwärtigen Junta dokumentieren, versuchen alle Parteien und Sekten, die Dummheiten ihrer früheren Analysen in Einklang zu bringen. Von den Bürokraten an der Macht in Moskau, Peking und Havanna bis hin zu den Bürokraten im Exil der trotzkistischen Bewegungen bietet ein liturgischer Chor linker Thronanwärter ihre postmortalen Einschätzungen Chiles an, deren Schlussfolgerungen ebenso vorhersehbar sind wie ihre Rhetorik. Die Unterschiede zwischen ihnen sind nur hierarchischer Natur; sie teilen eine leninistische Terminologie, die 50 Jahre Konterrevolution in der ganzen Welt zum Ausdruck bringt.

Die stalinistischen Parteien des Westens und die „sozialistischen“ Staaten betrachten Allendes Niederlage zu Recht als ihre eigene Niederlage: Er war einer der ihren – ein Staatsmann. Mit der falschen Logik, die einen wesentlichen Mechanismus ihrer Macht ausmacht, verurteilen diejenigen, die viel über den Staat und die (Niederlage der) Revolution wissen, den Sturz eines bourgeoisen, konstitutionellen Regimes. Die „linken“ Hochstapler des Trotzkismus und Maoismus ihrerseits können das Fehlen einer „Avantgardepartei“ – des deus ex machina2 des senilen Bolschewismus – in Chile nur beklagen. Diejenigen, die die Niederlage der Revolution in Kronstadt und Shanghai geerbt haben, wissen, wovon sie sprechen: Das leninistische Projekt erfordert die absolute Auferlegung eines deformierten „Klassenbewusstseins“ (das Bewusstsein einer bürokratischen herrschenden Klasse) gegenüber denen, die in ihren Entwürfen nur „die Massen“ sind.

Die Dimensionen der „chilenischen Revolution“ liegen außerhalb der Grenzen einer bestimmten Doktrin. Während die „Antiimperialisten“ der Welt – aus sicherer Entfernung – die sehr bequemen Vogelscheuchen der CIA anprangern, müssen die wahren Gründe für die Niederlage des chilenischen Proletariats anderswo gesucht werden. Allende, der Märtyrer, war derselbe Allende, der in den Wochen vor dem Putsch die Arbeitermilizen von Santiago und Valparaiso entwaffnet und sie dem Militär, dessen Offiziere bereits in seinem Kabinett waren, schutzlos ausgeliefert hatte.

Diese Aktionen können nicht einfach als „Klassenkollaboration“ oder „Verrat“ erklärt werden. Die Bedingungen für die bizarre Niederlage der Unidad Popular wurden lange im Voraus vorbereitet. Die sozialen Widersprüche, die im August und September auf den Straßen und Feldern Chiles auftraten, waren nicht einfach nur Trennungen zwischen „links“ und „rechts“, sondern beinhalteten einen Widerspruch zwischen dem chilenischen Proletariat und den Politikern aller Parteien, einschließlich derer, die sich als die „revolutionärsten“ ausgaben. In einem „unterentwickelten“ Land war ein hochentwickelter Klassenkampf entstanden, der die Positionen all jener bedrohte, die die Unterentwicklung aufrechterhalten wollten, sowohl wirtschaftlich durch die fortgesetzte imperialistische Herrschaft als auch politisch durch die Verzögerung einer echten proletarischen Macht in Chile.

II

Überall erzeugt die Expansion des Kapitals seinen scheinbaren Widerstand in Form von nationalistischen Bewegungen, die sich die Produktionsmittel „im Namen“ der Ausgebeuteten aneignen und für sich so die soziale und politische Macht aneignen wollen. Die imperialistische Gewinnung von Mehrwert hat ihre sozialen und politischen Folgen nicht nur in der erzwungenen Armut der Menschen, die ihre Arbeiter*innen werden müssen, sondern auch in der sekundären Rolle, die der lokalen Bourgeoisie zugewiesen wird, die nicht in der Lage ist, ihre volle Hegemonie über die Gesellschaft zu errichten. Es ist genau diese Leere, die die „nationalen Befreiungsbewegungen“ zu besetzen versuchen und damit die Führungsrolle übernehmen, die nicht von der abhängigen Bourgeoisie gespielt wird. Dieser Prozess hat viele Formen angenommen – von Gaddafis religiöser Fremdenfeindlichkeit bis hin zu Maos bürokratischer Religion – aber in jedem Fall sind die Marschbefehle des „Antiimperialismus“ die gleichen, und diejenigen, die sie erteilen, sind in identischen Befehlspositionen.

Die imperialistische Verzerrung der chilenischen Wirtschaft bot eine Öffnung für eine populäre Bewegung, die eine nationale kapitalistische Basis schaffen wollte. Der relativ fortgeschrittene wirtschaftliche Status Chiles verhinderte jedoch die Art von bürokratischer Entwicklung, die in anderen Gebieten der „Dritten Welt“ mit Waffengewalt an die Macht gekommen ist (ein Begriff, der verwendet wurde, um die tatsächlichen Klassenunterschiede in diesen Ländern zu überwinden). Die Tatsache, dass die „fortschrittliche“ Unidad Popular als reformistische Koalition einen Wahlsieg erringen konnte, war ein Spiegelbild der eigentümlichen Gesellschaftsstruktur in Chile, die in vielerlei Hinsicht der der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder ähnelte. Gleichzeitig schuf die kapitalistische Industrialisierung die Voraussetzungen für die mögliche Überwindung dieser bürokratischen Alternative in Form eines ländlichen und städtischen Proletariats, das sich als die wichtigste Klasse mit revolutionären Bestrebungen herausbildete. In Chile sollten Christdemokraten und Sozialdemokraten die Widersacher einer radikalen Lösung der bestehenden Probleme sein.

Bis zur Ankunft der UP blieben die Widersprüche in der chilenischen Linken zwischen einer radikalen Basis von Arbeiter*innen und Bäuer*innn und ihren so genannten politischen „Vertretern“ weitgehend in Form eines latenten Antagonismus bestehen. Die linken Parteien waren in der Lage, eine populäre Bewegung allein auf der Grundlage der ausländischen Bedrohung durch das US-Kapital zu organisieren. Kommunisten und Sozialisten konnten ihr Bild von authentischen Nationalisten unter der christdemokratischen Regierung aufrechterhalten, da Frei’s Programm der „Chilenisierung“ (das eine Politik der Agrarreform einschloss, die später von Allende bewusst nachgeahmt wurde) ausdrücklich mit der von Nordamerika gesponserten „Allianz für den Fortschritt“ verbunden war. Die offizielle Linke konnte ihre eigene Allianz innerhalb Chiles aufbauen, indem sie sich nicht dem Reformismus an sich, sondern dem Reformismus mit externen Verbindungen entgegenstellte. Das Oppositionsprogramm der chilenischen Linken wurde trotz seines moderaten Charakters erst nach den – unabhängig von den Parteien organisierten – militanten Streiks in den 1960er Jahren angenommen, die die Existenz des Frei-Regimes bedrohten.

Die künftige UP würde sich in einem Raum bewegen, der durch die radikalen Aktionen der Arbeiter*innen und Bäuer*innen eröffnet wurde; sie setzte sich als institutionalisierte Vertretung proletarischer Anliegen durch, soweit sie in der Lage war, diese zu rekuperieren. Trotz des äußerst radikalen Charakters vieler früherer Streiks (zu denen auch Fabrikbesetzungen und die Verwaltung verschiedener Industriebetriebe, vor allem bei COOTRALACO3, gehörten), fehlte der Praxis des chilenischen Proletariats ein entsprechender theoretischer oder organisatorischer Ausdruck, und dieses Versäumnis, seine Autonomie zu behaupten, machte es anfällig für Manipulationen durch Politiker. Trotzdem war der Kampf zwischen Reform und Revolution noch lange nicht entschieden.

III

Die Wahl des Freimaurers Allende bedeutete zwar keineswegs, dass die Arbeiter*innen und Bäuer*innen ihre eigene Macht erlangt hatten, verschärfte aber dennoch den Klassenkampf in ganz Chile. Entgegen den Behauptungen der UP, die Arbeiter*innklasse habe einen großen „Sieg“ errungen, setzten sowohl das Proletariat als auch seine Feinde ihren Kampf außerhalb der herkömmlichen parlamentarischen Kanäle fort. Obwohl Allende den Arbeiter*innen ständig versicherte, dass beide einen „gemeinsamen Kampf“ führten, offenbarte er den wahren Charakter seines Sozialismus per Dekret gleich zu Beginn seiner Regierung, als er das Statut unterzeichnete, das formal garantierte, dass er die bourgeoise Verfassung treu einhalten würde. Nachdem die UP mit einem „radikalen“ Programm an die Macht gekommen war, geriet sie in Konflikt mit einer wachsenden revolutionären Strömung an ihrer Basis. Als das chilenische Proletariat zeigte, dass es bereit war, die Slogans des UP-Programms wörtlich zu nehmen – Slogans, die sich nur als leere Rhetorik und unerfüllte Versprechen der bürokratischen Koalition herausstellten – und sie in die Praxis umzusetzen, wurden die Widersprüche zwischen Form und Inhalt der chilenischen Revolution deutlich. Die Bäuer*innen und Arbeiter*innen Chiles begannen, für sich selbst zu sprechen und zu handeln.

Trotz seines „Marxismus“ war Allende nie mehr als ein Verwalter staatlicher Interventionen in einer kapitalistischen Ökonomie. Allendes Etatismus – eine Form des Staatskapitalismus, die den Aufstieg aller Verwalter der Unterentwicklung begleitete – war nichts weiter als eine quantitative Ausweitung der christdemokratischen Politik. Mit der Verstaatlichung der Kupferminen und anderer Industriezweige setzte Allende die Zentralisierung der Ökonomie unter der Kontrolle des chilenischen Staatsapparats fort – eine Zentralisierung, die der „Erzfeind der Linken“, Frei, eingeleitet hatte. Allende war nämlich gezwungen, bestimmte Unternehmen zu verstaatlichen, weil sie spontan von ihren Beschäftigten besetzt worden waren. Indem er die Selbstverwaltung der Industrie durch die Deaktivierung dieser Besetzungen verhinderte, stellte sich Allende aktiv gegen die Einführung sozialistischer Produktionsverhältnisse. Infolgedessen tauschten die chilenischen Arbeiter*innen nur eine Reihe von Bossen gegen eine andere aus: die herrschende Bürokratie statt Kennecott oder Anaconda, die ihre entfremdete Arbeit lenkten. Diese scheinbare Veränderung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der chilenische Kapitalismus sich selbst aufrechterhält. Von den Profiten der multinationalen Konzerne bis hin zu den „Fünfjahresplänen“ des internationalen Stalinismus – die Akkumulation des Kapitals erfolgt immer auf Kosten des Proletariats.

Dass Regierungen und soziale Revolutionen nichts gemeinsam haben, zeigte sich auch in den ländlichen Gebieten. Im Gegensatz zur bürokratischen Verwaltung der „Agrarreform“, die vom Allende-Regime geerbt und fortgesetzt wurde, boten die spontanen bewaffneten Übernahmen von Großgrundbesitz eine revolutionäre Antwort auf das „Landproblem“. Trotz aller Bemühungen der CORA (Corporación de la Reforma Agraria), diese Enteignungen durch die Vermittlung von „Bauerngenossenschaften“ (Siedlungen) zu verhindern, ging die direkte Aktion der Bäuer*innen über diese illusorischen Formen der „Beteiligung“ hinaus. Viele der Landerwerbe wurden von der Regierung erst legitimiert, nachdem der Druck der Bäuer*innen es unmöglich machte, anders zu handeln. In der Erkenntnis, dass solche Aktionen sowohl ihre eigene Autorität als auch die der Landbesitzer in Frage stellten, ließ die UP nie eine Gelegenheit aus, „wahllose“ Enteignungen anzuprangern und zu einer „Verlangsamung“ aufzurufen.

Die autonomen Aktionen des städtischen und ländlichen Proletariats bildeten die Grundlage für die Entwicklung einer bedeutenden Bewegung zur Linken der Regierung Allende. Zugleich bot diese Bewegung eine weitere Gelegenheit für die politische Repräsentation, sich in den Realitäten des Klassenkampfes in Chile zu behaupten. Diese Rolle übernahmen die militanten Guevaristen der MIR und ihr ländliches Pendant, die MCR (Movimiento Campesino Revolucionario), denen es gelang, viele der radikalen Errungenschaften der Arbeiter*innen und Bäuer*innen zurückzufordern. Die miristische Parole der „bewaffneten Revolution“ und ihre obligatorische Ablehnung der Wahlpolitik waren bloße Gesten: Kurz nach den Wahlen von 1970 wurde ein Elitekorps der ehemaligen Stadtguerilla der MIR Allendes auserwählte persönliche Palastwache. Die Verbindungen zwischen der MIR-MCR und der UP gingen über rein taktische Erwägungen hinaus – beide hatten gemeinsame Interessen zu verteidigen. Trotz der revolutionären Haltung der MIR handelte sie in Übereinstimmung mit den bürokratischen Forderungen der UP: Wann immer die Regierung in Schwierigkeiten war, bewegten die Helfer der MIR ihre Militante um die Flagge der UP. Wenn die MIR es nicht schaffte, die „Vorhut“ des chilenischen Proletariats zu sein, dann nicht, weil sie nicht avantgardistisch genug war, sondern weil ihre Strategie von denen, die sie zu manipulieren versuchte, abgelehnt wurde.

IV

Die Aktivitäten der Rechten in Chile nahmen zu, nicht als Reaktion auf irgendeinen Regierungserlass, sondern wegen der direkten Bedrohung, die von der Unabhängigkeit des Proletariats ausgeht. Angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten konnte die UP nur von „rechter Sabotage“ und dem Starrsinn einer „Arbeiteraristokratie“ sprechen. Trotz aller ohnmächtigen Denunziationen der Regierung waren diese „Schwierigkeiten“ soziale Probleme, die nur durch die Errichtung einer revolutionären Macht in Chile radikal gelöst werden konnten. Trotz ihres Anspruchs, „die Arbeiterrechte zu verteidigen“, erwies sich die Regierung Allende als machtloser Zuschauer im Klassenkampf, der außerhalb formaler politischer Strukturen geführt wurde. Es waren die Arbeiter*innen und Bäuer*innen selbst, die die Initiative gegen die Reaktion ergriffen und dabei neue und radikale Formen der gesellschaftlichen Organisation schufen, Formen, die Ausdruck eines hoch entwickelten Klassenbewusstseins waren. Nach dem Streik der Bosse im Oktober 1972 warteten die Arbeiter*innen nicht auf das Eingreifen der UP, sondern besetzten aktiv die Fabriken und begannen, ohne gewerkschaftliche oder staatliche „Unterstützung“ selbst zu produzieren. Die cordones industriales, die den Vertrieb der Produkte kontrollierten und koordinierten und die bewaffnete Verteidigung gegen die Bosse organisierten, bildeten sich in den Fabriken. Im Gegensatz zu den von der UP versprochenen „populären Vollversammlungen“, die nur auf dem Papier existierten, wurden die Absperrungen (cordones)von den Arbeiter*innen selbst errichtet. In ihrer Struktur und Arbeitsweise waren diese Komitees – zusammen mit den ländlichen Räten – die ersten Manifestationen einer Rätetendenz und stellten als solche den wichtigsten Beitrag zur Entwicklung einer revolutionären Situation in Chile dar.

Eine ähnliche Situation bestand in den Vierteln, in denen die ineffizienten, von der Regierung kontrollierten „Versorgungsausschüsse“ (JAP)4 durch die Ausrufung von „selbstverwalteten Vierteln“ und die Organisation kommunaler Kommandos durch die Bewohner überwunden wurden. Trotz ihrer Unterwanderung durch MIR-Loyalisten bildeten diese bewaffneten Enteignungen des sozialen Raums den Ausgangspunkt für eine echte proletarische Macht. Zum ersten Mal konnten Menschen, die zuvor von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen waren, Entscheidungen über die grundlegendsten Realitäten ihres täglichen Lebens treffen. Die Männer, Frauen und Jugendlichen der Städte entdeckten, dass Revolution keine Frage der Wahlurne war; wie auch immer die Ortschaft/Gegend/Kiez hieß – Nueva Habana, Vietnam Heroico (Neu-Havanna, heldenhaftes Vietnam) -, was dort geschah, hatte nichts mit den entfremdeten Landschaften ihrer Namensvettern zu tun.

Obwohl die Errungenschaften der populären Initiativen beträchtlich waren, kam eine dritte Kraft, die eine revolutionäre Alternative zur Regierung und den Reaktionären darstellen konnte, nie ganz zum Vorschein. Den Arbeiter*innen und Bäuer*innen gelang es nicht, ihre Errungenschaften so weit auszuweiten, dass sie das Allende-Regime durch ihre eigene Macht ersetzten. Ihr so genannter „Verbündeter“, die MIR, benutzte ihren Diskurs über den Widerstand gegen den Bürokratismus mit den „bewaffneten Massen“ als Maske für ihre eigenen Intrigen. In ihrem leninistischen Schema wurden die cordones als „Kampfformen“ angesehen, die den Weg für zukünftige, weniger „eingeschränkte“ Organisationsmodelle ebnen könnten, deren Führung zweifellos von der MIR übernommen werden würde.

Bei aller Besorgnis über die Pläne des rechten Flügels, die seine Existenz bedrohten, hinderte die Regierung die Arbeiter*innen daran, positive Maßnahmen zur Lösung des Klassenkampfes in Chile zu ergreifen. Damit ging die Initiative aus den Händen der Arbeiter*innen an die Regierung über, und indem sich das chilenische Proletariat nach außen manövrieren ließ, ebnete es den Weg für seine künftige Niederlage. Als Reaktion auf Allendes Plädoyer nach dem gescheiterten Putsch vom 29. Juni besetzten die Arbeiter*innen weitere Fabriken, nur um sich hinter den Kräften zu verschanzen, die sie einen Monat später entwaffnen sollten. Diese Besetzungen wurden nach wie vor von der UP und ihren Vermittlern in der nationalen Gewerkschaft CUT definiert, die die Arbeiter*innen voneinander isolierten, indem sie sie innerhalb der Fabriken einschlossen. In einer solchen Situation war das Proletariat machtlos, einen unabhängigen Kampf zu führen, und sobald das Waffenkontrollgesetz unterzeichnet war, war ihr Schicksal besiegelt. Wie die spanischen Republikaner, die den anarchistischen Milizen an der aragonischen Front Waffen verweigerten, war auch Allende nicht bereit, die Existenz einer bewaffneten proletarischen Kraft außerhalb seines eigenen Regimes zu tolerieren. Alle Verschwörungen der Rechten hätten nicht einen Tag gedauert, wenn die chilenischen Arbeiter*innen und Bäuer*innen bewaffnet gewesen wären und ihre eigenen Milizen organisiert hätten. Obwohl die MIR gegen den Eintritt des Militärs in die Regierung protestierte, sprachen sie, wie ihre Vorgänger in Uruguay, die Tupamaros, nur über die Bewaffnung der Arbeiter*innen und hatten mit dem Widerstand, der stattfand, wenig zu tun. Die Losung der Arbeiter*innen „Un pueblo desarmado es un pueblo derrotado – Ein unbewaffnetes Volk ist ein besiegtes Volk“ sollte ihre bittere Wahrheit in den Massakern an Arbeiter*innen und Bäuer*innen finden, die dem Militärputsch folgten.

Allende wurde nicht wegen seiner Reformen gestürzt, sondern weil er nicht in der Lage war, die revolutionäre Bewegung zu kontrollieren, die sich spontan an der Basis der UP entwickelte. Die Junta, die an seiner Stelle installiert wurde, nahm die Bedrohung der Revolution klar wahr und widmete sich ihrer Beseitigung mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Es war kein Zufall, dass der stärkste Widerstand gegen die Diktatur in den Gebieten stattfand, in denen die Arbeiter*innenmacht am weitesten gegangen war. In der Textilfabrik SUMAR und in Concepción zum Beispiel war die Junta gezwungen, diese Macht durch Bombenangriffe aus der Luft zu liquidieren. Infolge der Politik Allendes konnte das Militär freie Hand bei der Vollendung dessen haben, was unter der UP-Regierung begann: Allende war ebenso wie Pinochet für die Massenmorde an Arbeiter*innen und Bäuer*innen in Santiago, Valparaiso, Antofagasta und anderen Provinzen verantwortlich. Die vielleicht aufschlussreichste aller Ironien, die mit dem Sturz der UP einhergingen, ist die Tatsache, dass viele von Allendes Anhänger*innen den Putsch zwar nicht überlebt haben, wohl aber viele seiner Reformen. Den politischen Kategorien wurde so wenig Bedeutung beigemessen, dass der neue Außenminister sich selbst als „Sozialist“ bezeichnete.

V

Radikale Bewegungen bleiben in dem Maße unterentwickelt, wie sie die Entfremdung respektieren und ihre Macht an externe Kräfte abgeben, anstatt sie selbst zu schaffen. In Chile beschleunigten Revolutionäre ihren eigenen Thermidor-Tag5, indem sie „Repräsentanten“ in ihrem Namen sprechen und handeln ließen: Obwohl die parlamentarische Autorität faktisch durch die cordones ersetzt worden war, gingen die Arbeiter*innen nicht über diese Bedingungen der Doppelherrschaft hinaus, um den bourgeoisen Staat und die Parteien, die ihn aufrechterhalten, abzuschaffen. Wenn zukünftige Kämpfe in Chile voranschreiten sollen, müssen die Feinde innerhalb der Arbeiter*innenbewegung praktisch überwunden werden; die Rätetendenzen in den Fabriken, Städten und auf den Feldern müssen alles oder nichts sein. Alle Avantgarde-Parteien, die sich weiterhin als „Führer der Arbeiter*innen“ ausgeben – sei es die MIR, eine klandestine KP oder irgendeine andere Untergrund-Splittergruppe – können nur den Verrat der Vergangenheit wiederholen. Dem ideologischen Imperialismus muss so radikal begegnet werden, wie der ökonomische Imperialismus enteignet wurde; Arbeiter*innen und Bäuer*innen können sich nur auf sich selbst verlassen, um über das hinauszukommen, was die cordones industriales erreicht haben.

Vergleiche zwischen der chilenischen Erfahrung und der spanischen Revolution von 1936 wurden bereits gemacht, und nicht nur hier findet man seltsame Worte von Trotzkisten, die die Arbeiter*innenmilizen loben, die gegen jede Form der Hierarchie kämpften. Es stimmt zwar, dass in Chile eine dritte radikale Kraft entstand, aber nur zögerlich. Anders als das spanische Proletariat haben die chilenischen Revolutionäre nie eine neue Gesellschaftsform auf der Grundlage einer Organisation von Räten geschaffen, und die chilenische Revolution wird nur dann triumphieren, wenn diese Formen (Gebiete, Kommandos) ihre soziale Hegemonie durchsetzen können. Die Hindernisse für seine Entwicklung sind ähnlich wie in Spanien: Die spanischen Räte und Milizen hatten zwei Feinde, in Form des Faschismus und der republikanischen Regierung, während die chilenischen Arbeiter*innen dem internationalen Kapitalismus und den sozialdemokratischen Manipulierer*innen und dem Leninismus gegenüberstanden.

Von den Favelas in Brasilien bis zu den Arbeitslagern in Kuba ist das Proletariat weder in Lateinamerika noch anderswo an der Macht, und diese Ohnmacht treibt es ständig zu neuen Aktionen. Die chilenischen Arbeiter*innen stehen mit ihrem Widerstand gegen die Kräfte der Konterrevolution nicht allein; die revolutionäre Bewegung, die in Mexiko mit den Guerillagruppen von Villa begann, ist noch nicht zu Ende. In den Arbeiter*innenmilizen, die 1965 in den Straßen von Santo Domingo kämpften, dem städtischen Aufstand in Córdoba, Argentinien, 1969, und den jüngsten Streiks und Besetzungen in Bolivien und Uruguay, den spontanen Arbeiter*innen- und Student*innenenrevolten in Trinidad 1970 und der anhaltenden revolutionären Krise in der Karibik, hat das lateinamerikanische Proletariat eine kontinuierliche Offensive gegen all jene aufrechterhalten, die versuchen, die gegenwärtigen Bedingungen aufrechtzuerhalten.

In seinem Kampf sieht sich das Proletariat mehreren Karikaturen der Revolution gegenüber, die sich als seine Verbündeten ausgeben. Diese Transvestiten haben wiederum in der so genannten „ultralinken“ Opposition eine falsche Bewegung gefunden. So bereitet der Ex-Faschist Perón den Aufbau eines korporativen Staates in Argentinien vor, diesmal in linker Verkleidung, während die trotzkistischen Kommandos der ERP ihn dafür anprangern, nicht „revolutionär“ genug zu sein, und der Ex-Guerillakämpfer Castro all jene schimpft, die nicht den Standards der „kommunistischen“ Disziplin entsprechen. Die Geschichte wird nicht daran scheitern, die Macht dieser Idioten aufzulösen.

Eine Verschwörung der Tradition – mit Agenten sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite – sorgt dafür, dass die bestehende Realität immer in Form von falschen Alternativen dargestellt wird. Die einzigen akzeptablen Alternativen zur Macht sind die zwischen konkurrierenden Hierarchien: den Obersten von Peru oder den Generälen von Brasilien, den Armeen der arabischen Staaten oder denen Israels. Diese Gegensätze sind nur Ausdruck von Spaltungen innerhalb des globalen Kapitalismus, und jede wirklich revolutionäre Alternative muss sich auf den Trümmern dieser spektakulären Konflikte einrichten. Den kombinierten Lügen der Bourgeoisie und der bürokratischen Macht muss eine revolutionäre Wahrheit in Waffen gegenübergestellt werden, überall auf der Welt wie in Chile. Es kann keinen „Sozialismus in einem Land“ oder in einer Fabrik oder einem Bezirk geben. Revolution ist eine internationale Aufgabe, die nur auf internationaler Ebene gelöst werden kann – sie kennt keine kontinentalen Grenzen. Wie jede Revolution erfordert auch die chilenische Revolution den Triumph ähnlicher Bewegungen in anderen Gegenden. Überall, bei den wilden Streiks in den Vereinigten Staaten und Westdeutschland, den Fabrikbesetzungen in Frankreich und den zivilen Aufständen in der UdSSR, werden die Grundlagen für eine neue Welt gelegt. Diejenigen, die sich in dieser globalen Bewegung erkennen, müssen die Gelegenheit ergreifen, sie mit allen ihnen zur Verfügung stehenden subversiven Waffen zu verbreiten.

Oktober 1973

1 A.d.Ü., rückwirkend

2 A.d.Ü., „(wenn) Gott aus einer Maschine (auftritt)“. So die Bedeutung aus dem Latein, heutzutage wird es auch verwendet um zu beschreiben wenn eine Person oder eine Begebenheit unerwartet auftritt.

3 Im November 1968 traten 126 Arbeiter der Industrie „Andrés Hidalgo y Cia“ wegen der Schulden, die der Chef bei ihnen hatte, in den Streik. Nach einem Mobilisierungsprozess mit traditionellen Mitteln, der keine Früchte trug, beschlossen die Arbeiterinnen und Arbeiter, die Fabrik zu übernehmen und sie selbst zu verwalten. Ehemalige Kader linker Parteien und Arbeiter ohne Parteimitgliedschaft waren an dieser Initiative beteiligt: „Unter uns gibt es keine Frage, welcher Partei du angehörst. Unsere Definition lautet, ob du in der Praxis mit den Arbeitern oder gegen sie bist. Wir akzeptieren nicht, dass ideologische Differenzen uns lähmen. Wir stellen die traditionelle Gewerkschaftsbewegung in Frage, den Kampf innerhalb des Arbeitsrechts, ein Instrument der Ausbeutung der Bourgeoisie“ (Revista „Punto Final“ Nº 90, Oktober 1969). Anmerkung der vorliegenden Ausgabe.

4 An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass die JAP nicht nur ein bloßes Instrument der Regierung waren, um auf das Horten zu reagieren (eine reaktionäre Maßnahme, die von Teilen der Bourgeoisie gefördert wurde, die mit der politischen Rechten verbunden sind), sondern dass sie, wie andere Erfahrungen an der Basis, in der Praxis die von der Macht auferlegten Grenzen überschritten. Darüber hinaus waren sie Räume, in denen der Protagonismus der Frauen betont wurde, indem sie in der Praxis mit der ihnen von der patriarchalischen Kultur zugewiesenen sekundären Rolle brachen, auch wenn diese Beteiligung zum Teil als Erweiterung der Räume des sozialen Kampfes, der traditionellen Frauenrollen in Bezug auf die Hausarbeit erreicht wurde. Auf der anderen Seite waren die JAPs Teil der Comandos Comunales. Anmerkung der vorliegenden Ausgabe.

5 A.d.Ü., der Thermidor ist der elfte Monat nach dem republikanischen Kalender der französischen Revolution (1789-1799). In dem Sinne bezeichnet man auch eine Kehrtwendung von revolutionären Idealen oder Kämpfen in deren Enthauptung und infolgedessen zur (eigenwilligen) Niederlage. Der bekannte historische Beispiele der sich auf diesen Begriff stützt ist die Verhaftung von Robespierre in der französischen Revolution.

Deutsche Übersetzung: https://panopticon.noblogs.org/post/2024/04/03/seltsame-niederlage-die-chilenische-revolution-1973-pointblank/

[Comunidad de lucha] Diktatur oder Demokratie? Demokratie und Diktatur!

Quelle auf Spanisch: https://comunidaddelucha.noblogs.org/files/2018/09/CdL07septiembre.pdf

45 Jahre nach dem zivil-militärischen Staatsstreich, bei dem die lokale und internationale Bourgeoisie den so genannten „chilenischen Weg zum Sozialismus“ gewaltsam hinwegfegte, versucht die Linke immer noch, uns zu überzeugen, dass die kapitalistische Barbarei in diesem Gebiet ihren Ursprung in dieser Episode hat und dass der Prozess, der unterbrochen wurde, nichts anderes war als die idyllische Revolution der Arbeiterklasse, die auf dem Weg zu dem sozialistischen Allheilmittel war, das die Situation für die Klasse, die historisch die Entwicklung der kapitalistischen Zivilisation auf ihrem Rücken getragen hat, endlich umkehren würde.

Wir glauben jedoch, dass dieser Prozess, der von der Unidad Popular mit Allende an der Spitze als Staatsoberhaupt angeführt wurde und der in der gewaltsamen Einmischung der internationalen Bourgeoisie und dem Sturz der UP-Regierung gipfelte, einer weiteren Episode zwischenstaatlicher Konflikte im Kontext des Kalten Krieges entspricht: Der Fortschritt des Kapitals, der im letzten Jahrhundert schwindelerregende Ausmaße angenommen hatte, gestaltete die Struktur der Welt neu und organisierte sie um zwei Pole, die jeweils angeblich antagonistische und unvereinbare Perspektiven der Gesellschaft verkörperten: die UdSSR auf der einen Seite und die um die USA gruppierten westlichen Demokratien auf der anderen Seite. Der Kolonialismus und andere Formen der imperialistischen Herrschaft in der Dritten Welt schufen die Voraussetzungen für Entwicklung und Elend, damit die Menschen dieser Regionen das bourgeoise Ideal der nationalen Souveränität annehmen konnten. Dieser Prozess beinhaltete die Integration der neuen Nationalstaaten in eines der beiden gegensätzlichen Handelsimperien. Das sowjetische Kapital, dessen Existenz auf die russische Revolution von 1917 zurückzuführen ist, in der die proletarische Klasse, die über die veraltete oligarchische Klasse siegte, sich der Welt als „Vaterland des Proletariats“ präsentierte, hatte eine wirtschaftliche und militärische Entwicklung, die es ihr erlaubte, diese Prozesse zu unterstützen. So würde der größte Teil des kämpfenden Proletariats auf der ganzen Welt an seinem Programm festhalten.

Der Kampf für einen demokratischen Staat ist zwangsläufig ein Kampf für die Konsolidierung des Staates, und niemals sein Gegenteil

Der chilenische „revolutionäre“ Prozess hat ein besonderes Merkmal: Neben der Beibehaltung der grundlegenden Prämissen der bourgoisen Gesellschaft (wie in den übrigen sozialistischen „Revolutionen“) wurde er vor allem am Rande der lokalen Institutionalität kanalisiert, da er ein demokratischer Prozess ist. Der Militärputsch kehrte diese Situation um, indem er die Ordnung für die einheimischen Kapitalisten durch die Militärdiktatur wiederherstellte.

Heute bekennen sich praktisch alle Staaten und Institutionen, in denen das Kapital seine volle Entwicklung erreicht hat, zum demokratischen Ideal (sogar Nordkorea definiert sich selbst als demokratische Republik). In Chile und dem Rest der Welt wird Demokratie als ein Grundprinzip vorausgesetzt, das sich nur in Formfragen unterscheidet. Selbst die reaktionärste Bourgeoisie geht davon aus, dass sie demokratisch und teilweise „kritisch“ gegenüber der diktatorischen Regierung ist, der sie früher angehörte.

Und gerade jetzt, wo die Demokratie das Banner derer ist, die in der ganzen Welt regieren, hat das Kapital noch nie eine so grobe und kulminierende Entwicklung wie heute erreicht. Die Demokratisierung der Welt ist jedoch nach wie vor eine der Hauptforderungen derer, die sich als Antikapitalisten betrachten: Es wird davon ausgegangen, dass, da Diktatur (gewöhnlich mit Faschismus in Verbindung gebracht) das Kapital in seiner schlimmsten Form ist, sie daran gehindert werden muss, diese Form zu erreichen, indem allgemein für einen „normalen“, nicht-diktatorischen, demokratischen Kapitalismus gekämpft wird. Kurz gesagt, es geht nicht darum, den Kapitalismus zu bekämpfen, sondern Druck auf den Kapitalismus auszuüben, damit er seinen totalitäreren Formen abschwört. Und da die Diktatur das Kapital in seiner reaktionärsten Form ist, bedeutet eine solche Vision den Versuch, den Kapitalismus in seiner modernsten, nicht-imperialistischen, nicht-militaristischen, nicht-rassistischen, nicht-repressiven, nicht-reaktionären Form zu fördern. Im Gegenzug ist der Kampf für einen demokratischen Staat zwangsläufig ein Kampf um die Konsolidierung des Staates und niemals sein Gegenteil. Demokratische Flexibilität ist das Ergebnis der Veralterung der Diktatur zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Entwicklung des Kapitals, aber das Kapital hätte kein Problem damit, zu einer diktatorischen Form zurückzukehren, wenn es zur Aufrechterhaltung seiner Organisation notwendig ist.

Demokratie und Diktatur sind nicht gerade zwei gegensätzliche Formen der gesellschaftlichen Organisation, sondern vielmehr zwei Formen, in denen das Kapital die soziale Herrschaft organisiert

Demokratie und Diktatur sind nicht gerade zwei gegensätzliche Formen der gesellschaftlichen Organisation, sondern zwei Formen, in denen das Kapital die soziale Herrschaft organisiert. Wir sollten uns daran erinnern, dass im Laufe der Geschichte einige der fortschrittlichsten Initiativen des Proletariats gegen die Klassengesellschaft kaum „demokratisch“ in dem Sinne sind, dass es die Praxis selbst war und nicht die populäre Konsultation, die ihnen ihre Kraft gab. In den frühen 1970er Jahren zeigten die Industriegürtel Organisationsformen, die über die demokratischen Kanäle des Staates hinausgingen. Auf der anderen Seite war es die demokratische Regierung der UP, die in dem Bemühen, die demokratische Ordnung zu erhalten, im Kongress ein Rüstungskontrollgesetz (das immer noch in Kraft ist) verabschiedete, das gegen die Selbstorganisation eben dieser Industriegürtel angewandt wurde, als diese die legalen Kanäle der Demokratie überfluteten. Es sollte auch daran erinnert werden, dass es dieselbe Demokratie war, die die Mitglieder der VOP ermordet und inhaftiert hat, als sie nicht in das sozialistisch-demokratische Programm der UP passten und ihren Kampf durch Aufstände fortsetzten.

Gegen die demokratische Mystifizierung von links und rechts wenden wir uns nicht gegen die Herrschaft einer aufgeklärten Minderheit gegen eine Mehrheit, der der Weg gewiesen werden sollte, sondern gegen die bewusste Selbstemanzipation der Klasse gegen ihren eigenen Klassenzustand. Dies hängt nicht von rein quantitativen Faktoren ab, sondern von der bewussten Entschlossenheit, die hierarchische Ordnung des Kapitals für die Auferlegung von Lebensformen hinwegzufegen, die nicht durch irgendeinen abstrakten Faktor (wie die Demokratie) vermittelt werden, sondern nur durch die Selbstorganisation der Beteiligten, gegen jede Form sozialer Vermittlung und entfremdender Organisation.

DEMOKRATIE IST DIE DIKTATUR DES KAPITALS! GEGEN DEMOKRATIE UND DIE WARE, KOMMUNISMUS UND ANARCHIE!

Selbstkritische Erinnerung: die Niederlage des Proletariats in Chile

Die letzte große Offensive der chilenischen proletarischen Bewegung und ihre Niederlage wird in den historischen Kontext des zweiten proletarischen Angriffs gestellt. Wir verstehen dieses Ereignis als eine große revolutionäre Welle, in der die Selbstorganisation des Proletariats auf der ganzen Welt ihre eigene lebenswichtige Aktivität entwickelt, immer mehr soziale Spannungen erzeugt und den Kapitalismus in eine neue Krise stürzt. Diese Offensive war durch verschiedene Formen der Verleugnung der bestehenden Gesellschaft gekennzeichnet, von denen wir einige hervorheben können: die Arbeiterenthaltung in den Fabriken in Italien, die Besatzungsbewegung in Frankreich, die Land- und Fabrikbesetzungen in Chile, die Ausbreitung autonomer antikapitalistischer Angriffsgruppen wie der Iberischen Befreiungsbewegung (MIL) in Spanien, die Klarheit von Gruppen wie Zengakuren in Japan, die in der Welt Pioniere bei der Koordinierung von Arbeiter*innen, Student*innen und Bäuer*innen waren und unter anderem die Parole „Weder Imperialismus noch Stalinismus“ vertraten.

Der revolutionäre Prozess in Chile wurde viele Jahre vor der allendistischen Periode geschmiedet, sein Inhalt drückte sich in der autonomen Aktion weiter Teile des Arbeiter- und Bauernproletariats aus; hauptsächlich durch Landbesetzungen, Fabrikbesetzungen, Nachbarschaftsorganisation und bewaffnete Selbstverteidigungsaktionen, Praktiken, die insgesamt darauf abzielten, die Existenzbedingungen wieder herzustellen, die ihnen die kapitalistische Produktionsweise genommen hatte, und die vor dem Putsch von 1973 mehrere vom Staat inszenierte Massaker nach sich zogen; Darunter das Massaker an Arbeiter*innen und Student*innen in Santiago und Valparaiso 1957 im sogenannten „Chaucha-Streik“, die Ermordung von Einwohner*innen der Stadt José María Caro 1962, die Ermordung von Arbeiter*innen in der Mine von El Salvador 1966 und das Massaker an Einwohner*innen in Puerto Montt 1968.

Mit der Machtübernahme durch die linke Koalition der Unidad Popular wurde ein politisches Programm in die Tat umgesetzt, das die Niederlage der Proletarier in diesem Land vorwegnahm, da sie eine Politik der Verstaatlichung und Agrarreform befürworteten, die keineswegs auf die Überwindung der Warengesellschaft abzielte, sondern auf deren Verwaltung durch staatliche Verwaltung durch die Führung der sozialdemokratischen Parteien (PC, PS, PR, PSD, MAPU, API).

Die in Taten zum Ausdruck gebrachte Autonomie wurde von den verschiedenen sozialdemokratischen Organisationen des Augenblicks wiedergewonnen (A.d.Ü., rekuperiert), die in diesem Prozess insofern eine wichtige Rolle spielen werden, als die Entwicklung der proletarischen Selbsttätigkeit durch IHR Programm des „Chilenischen Weges zum Sozialismus“ gehemmt wird.

Die Linke versuchte, die Praktiken des proletarischen Antagonismus innerhalb der bestehenden demokratischen Mechanismen zu gestalten, indem sie die revolutionäre Macht der Klasse, die sich langsam konstituierte, in eine lebendige Praxis gegen den Kapitalismus filterte. Das Proletariat beschränkte sich jedoch nicht darauf, der demokratischen Politik der Unidad Popular zu folgen, sondern schärfte seine Praktiken außerhalb der parlamentarischen Kanäle. Als die Arbeiter*innen begannen, für sich selbst zu sprechen und zu handeln, begannen die ersten Widersprüche zwischen der Regierung und „ihren Stützpunkten“ zu entstehen. Mit der spontanen Besetzung verschiedener Fabriken durch die Arbeiter*innen ist Allende gezwungen, diese zu verstaatlichen, um die Selbstverwaltung der Arbeiter*innen zu verhindern. Dies reichte jedoch nicht aus, da die chilenischen Arbeiter*innen nur einen Chef gegen einen anderen austauschten, von Kennecott oder Anaconda1 bis hin zur Regierungsbürokratie. Die Akkumulation des Kapitals ist immer eine Akkumulation auf Kosten des Proletariats.

In der ländlichen Welt führten die Bäuer*innen „spontane bewaffnete Übernahmen“ außerhalb der staatlichen Autorität durch. Tatsächlich zögerte die Regierung nicht, „wahllose Enteignungen“ anzuprangern, und wenn sie gezwungen war, solche Enteignungen zu legitimieren, dann nur dank des Drucks der Bäuer*innen.

Beim Streik der Bosse im Oktober 1972 leisteten die Arbeiter*innen Widerstand gegen die Angriffe der Rechten, indem sie die Fabriken aktiv übernahmen und sich in autonomen Cordones Industriales koordinierten; die Aufgaben, die sie übernahmen, waren die Produktion und Verteilung von Produkten, während sie gleichzeitig eine bewaffnete Verteidigung gegen die Bosse organisierten2. Die Vereinigungen, die die Arbeiter*innen aufbauten, vertrauten jedoch weiterhin dem „Genossen Präsidenten“, obwohl ihre Regierung sie wegen der aktiven Besetzung der Fabriken, die ohne gewerkschaftliche oder staatliche Unterstützung organisiert waren, angriff.

In den Stadtvierteln wurde die Anwendung der Junta de Abastecimiento Popular (von der Regierung geschaffene Institutionen) durch die Selbstorganisation der Stadtviertel, die in den Comandos Comunales neu organisiert und durch die explosive Entwicklung der Bevölkerungsbewegung konkretisiert wurde, überwältigt. Mit der Verschärfung des Klassenkampfes „kann mit absoluter Sicherheit behauptet werden, dass zwischen 1970 und September 1973 mindestens 344 erfolgreiche städtische Landübernahmen in Santiago registriert wurden“. Ebenso verbreiteten sich die Comandos Comunales über das ganze Land; territoriale Organe bildeten sich – in erster Linie – als Versuch, die Offensive der Bourgeoisie zu stoppen, aber das brachte schließlich den spontanen Eifer der Arbeiter*innen nach Selbststeuerung zum Ausdruck, „Zugang zu den Aufgaben der Organisation, Leitung und Kontrolle der Gesellschaft zu haben, als einzige Möglichkeit, sich direkt der Lösung ihrer wirtschaftlichen und politischen Probleme zu stellen“3

All diese in Taten zum Ausdruck gebrachte Autonomie wurde von den verschiedenen sozialdemokratischen Organisationen des Augenblicks wiedergewonnen (A.d.Ü., rekuperiert), die in diesem Prozess insofern eine wichtige Rolle spielen werden, als die Entwicklung der proletarischen Selbsttätigkeit durch IHR Programm des „Chilenischen Weges zum Sozialismus“ gestoppt wird

Das Sahnehäubchen dieses permanenten Angriffs der Linken auf die Praktiken der proletarischen Autonomie ist der Moment, in dem der Märtyrer Salvador und seine Clique von Bürokraten die Arbeiter*innenmilizen Monate vor dem Staatsstreich entwaffneten und im Oktober 1972 das Waffenkontrollgesetz unterzeichneten, wodurch sie gegen das bereits in ihrem Kabinett installierte Militär wehrlos wurden. So begann eine lange Nacht für das chilenische Proletariat.

Am 11. September 1973 ließ der damalige ultralinke Flügel, in diesem Fall die MIR – die nicht auf die Schurkerei ihrer politischen Kollegen, die aus dem Land flohen, hereinfiel – das Proletariat, das in ihren Städten und Fabriken Widerstand leistete, nicht im Stich, denn „die MIR gab den Befehl zum Rückzug in Ordnung und zum Kampf. Ihre Militanten kämpften an der Seite der Arbeiter*innen, aber – im Bewusstsein, dass die Niederlage des Reformismus unvermeidlich war – zogen sie sich geordnet zurück, als Widerstand unmöglich war. In der Praxis konnten die Myriaden (A.d.Ü., die sehr Anzahl, ungezählte, unzählig große) die Last der UP nie abschütteln, da ihr Umgang mit dem Reformismus sie zuvor besiegt hatte. Bereits „Monate vor dem Putsch hatten einige ihrer wichtigsten Arbeiterführer mit ihrer Führung gebrochen, weil sie sie für bürokratisch und opportunistisch hielten“. In Wirklichkeit ist es eine Führung, die die Revolution „für“ die Arbeiter*innen machen will, die aber überhaupt nicht begriffen hat, dass „die Befreiung der Klasse das Werk von ihr selbst sein kann“.

Das Versagen des Proletariats in Chile wurde im Voraus verurteilt, als es naiv an seine politischen Vertreter glaubte. Sein Mangel an theoretischer Klärung seiner eigenen Interessen führte dazu, dass es einen großen Teil seiner Organisation externen Kräften anvertraute, seien es Parteien, Gewerkschaften, die Macht des Staates, Institutionen, die eine wirklich antagonistische Artikulation gegen das Kapital behinderten. Nun ist diese Überlegung keine Rechtfertigung des Proletariats, sondern im Gegenteil eine Selbstkritik, denn er selbst war es, der sich mit der Reform und dem „friedlichen Übergang“ zum Sozialismus, mit dem „Sozialismus in einem Land“ und mit der Demokratie zufrieden gab. Es waren die eigenen Arbeiter*innen, die an die „Unterstützung“ durch die Volksregierung glaubten. Aber es ist Zeit für eine Abrechnung mit der Vergangenheit, es ist Zeit zu verstehen, dass die soziale Revolution ein Konflikt zwischen der proletarisierten Menschheit und dem Kapital ist, und nicht ein Kampf zwischen links und rechts. Es ist an der Zeit zu begreifen, dass der Aufstand weder Führer noch Avantgarden braucht, um die große Masse des Proletariats zum totalen Sieg zu führen, sondern dass die Klasse sich vielmehr mit einer eigenen Organisation ausstatten muss, um die alte Welt zu bekämpfen und zu zerstören; und schließlich ist es dringend notwendig zu begreifen, dass diejenigen, die halbgaren Revolutionen machen, sich ihr eigenes Grab schaufeln.

45 JAHRE NACH DEM PUTSCH: ERINNERUNG UND AKTION GEGEN ALLE FORMEN DES KAPITALISMUS!

UM DEN HIMMEL IM ANSTURM ZU EROBERN!

1 Große amerikanische Kupferbergbauunternehmen.

2 Es gibt Haltungen, die offen mit dem kapitalistischen Alltag brachen; die Arbeiter*innen der Textilfabrik SUMAR begannen im Rahmen des landesweiten Streiks der Bosse im Oktober 1972, Kleidung und Textilvorräte zu produzieren, um sie den Menschen in der Umgebung der Fabrik zu geben. Diese Haltungen entsprechen einem echten Gemeinschaftsleben, das die Arbeiter*innen und Bewohner*innen der Gegend durch verschiedene Aktivitäten wie populäre Bibliotheken und gemeinsame Speisesäle geschmiedet hatten.

3 Duque und Pastrana “La movilización reivindicativa urbana de los sectores populares en Chile”, 1972.

Deutsche Übersetzung: https://panopticon.noblogs.org/post/2024/06/03/chile-diktatur-oder-demokratie-demokratie-und-diktatur/

[GCI-ICG] Chile: Das Ende der UP und das Wiederauftauchen des Proletariats

Quelle: Grupo Comunista Internacionalista (GCI) – Comunismo n°13 – Juni 1983

Die Unidad Popular und der Putsch von September 1973

Wenige Tage vor dem „Putsch“ vom September 1973 richteten die cordones industriales einen Brief an Allende, in dem sie sagten, dass, wenn die bis dahin geltende politische Linie fortbestehe, „sie dafür verantwortlich sei, das Land zu führen, nicht zu einem Bürgerkrieg, der bereits in vollem Gange ist, sondern zu dem kalten, geplanten Massaker an der Arbeiterklasse1“.

Dies ist 1973 geschehen. Es war kein Klassenkampf nach dem September, sondern das Massaker eines desorganisierten, unbewaffneten, orientierungslosen Proletariats. Der Klassenkampf, den die Bourgeoisie bereits gewonnen hatte. Tatsächlich war das Entscheidende im Krieg die Desorganisation gewesen und nicht die Hinrichtung der Unbewaffneten, die – wie nach September 1973 – immer eine unvermeidliche Folge ist.

Die Verteilung der Arbeit auf die verschiedenen Komponenten des bourgeoisen Staates (Christdemokratie, Unidad Popular, Armee…) war perfekt gewesen, abgesehen von marginalen Fällen gab es keinen frontalen und organisierten Angriff gegen den Staat des Kapitals.

Die Unidad Popular2 hatte jedoch ihre historische Rolle erfüllt, sie war bei der Vorbereitung des Massakers entscheidend gewesen, aber leider hatte das Proletariat sie gespürt, intuitiv wahrgenommen und in einigen Fällen ausdrücklich verstanden. Die Tatsache, dass „Genosse Allende“ offen zugerufen wurde, dass seine Politik den Weg bereitete, nicht für den Bürgerkrieg, sondern für das geplante Massaker an der Arbeiterklasse, deutete gleichzeitig darauf hin, dass die Zeit für die der Unidad Popular gekommen war: ihr Spiel war entlarvt worden.

Um das Massaker zu verüben, bevorzugte das Kapital die Pinochets, was es ermöglichen würde, die anderen politischen Fraktionen3 der Bourgeoisie zu entsenden und ein Heilmittel für die Glaubwürdigkeit der Opposition zu versuchen.

Das Paradoxon des „Widerstandes“

Der Staatsstreich überraschte niemanden, alle sozialen Schichten und alle politischen Kräfte waren sich seiner Vorbereitungen bewusst. Das Proletariat war nicht in der Lage gewesen, den bourgeoisen Staat, das Ende 1972 und in der ersten Hälfte 1973 auf dem Höhepunkt seiner Stärke und Autonomie war, anzugreifen; noch viel weniger war es in der Lage, dem Gemetzel zu widerstehen, als es bereits schwer geschlagen4 und in völliger Desorganisation war. Deshalb leistete das Proletariat als Klasse keinen Widerstand, und es gab weder bewaffnete proletarische Aufstände als Reaktion darauf (wie z.B. 1936 in Spanien), noch einen wirklichen Generalstreik, der die staatlichen Verwalter erzittern ließ (wie es einige Monate zuvor im Falle Uruguays geschehen war), wie in anderen historischen Umständen, die durch den militärischen Vormarsch der Rechten gekennzeichnet waren. Die Pinochetisten rückten ohne größere Hindernisse vor und waren sogar überrascht über den fehlenden Widerstand5. Alles beschränkte sich auf einen tragischen, völlig lokalen oder individuellen Widerstand, der eher einem verzweifelten Tritt derer glich, denen der letzte Schlag versetzt wurde, als einem wirklichen politisch-militärischen Widerstand. Das heißt, dass das Proletariat selbst die begrenzten Kämpfe, die es in einigen Bereichen/Gebieten geführt hatet, hatte es nicht als Klasse, als militärisches Subjekt, das im Kampf entscheidet, sondern gezwungenermaßen als Objekt und Opfer der seit Jahren geplanten und vom Staat entfesselten kriminellen Repression geführt hat.

Was die Unidad Popular betrifft, war das Panorama anders. Viele ihrer Kader verstanden zumindest vorerst nicht, dass sie ihre Funktion erfüllt hatten und dass der Staat sie nicht mehr in der Verwaltung, sondern in seiner Opposition brauchte. Dies, zusammen mit dem Widerstand der fraktionellen Interessen des Kapitals (das Wirtschaftsprojekt der Unidad Popular enthielt den letzten Versuch des Kapitals, den alten Industrieapparat, der nicht in der Lage war, international konkurrenzfähig zu sein, zu erhalten und zu schützen, und darüber hinaus vertrat ein Teil dieser Volksfront in Chile die Interessen eines anderen internationalen kapitalistischen Blocks), bestimmte in vielen dieser Kader, angefangen bei Allende selbst, einen echten Widerstandswillen.

Pinochet sah sich daher mit einer doppelten Überraschung konfrontiert: a) Ein Widerstand, der die Erwartungen des Personals der Linken übertraf; so war es zum Beispiel für ein verfassungsmäßiges Regime nicht sehr angenehm, einen rechtmäßig gewählten Präsidenten töten zu müssen, und in allen ähnlichen historischen Fällen waren die Dinge gnädig arrangiert worden, indem man ihm ein sicheres Geleit zum Verlassen des Landes gewährte. B) Eine allgemeine Passivität der Bevölkerung angesichts des Vormarschs der Armee und der praktizierten Schnellhinrichtungen, die den enormen Einsatz der Streitkräfte nutzlos und in den meisten Fällen unverhältnismäßig machte.

Aber wie offensichtlich ist, konnte die Unidad Popular nicht widerstehen, ohne das Proletariat als Kanonenfutter (für seine fraktionellen Interessen) zu benutzen. In der Tat lag seine Hauptstärke und sein Zugang zur Regierung des bourgeoisen Staates gerade darin begründet, dass es die bourgeoise Fraktion mit der größten Fähigkeit zur Kontrolle, zur Einrahmung (d.h. zur Strukturierung, um den autonomen Kampf gegen den Staat zu verhindern) des Proletariats bildete. Aus diesem Grund hatten viele Führer der Unidad Popular schon Tage zuvor dazu aufgerufen, bewaffneten Widerstand zu organisieren, um Chile in ein „neues heldenhaftes Vietnam“ (Altamirano des P.S.) zu verwandeln.

Es gibt Fraktionen, die all diese Führer, die diese Aufrufe zum beispielhaften Widerstand machten, des Zynismus und der Inkonsequenz beschuldigen, und einige Tage später bevölkerten sie auf der Suche nach Asyl die Botschaften und überließen das Proletariat seinem eigenen Schicksal. Wir glauben, dass sie nicht einfach zynisch sind, sondern dass sie tatsächlich bereit waren, für ihre Interessen zu kämpfen, und dass ihre Inkonsequenz darauf zurückzuführen ist, dass sie tatsächlich glaubten, das Proletariat würde sich in diesen Widerstand stürzen und als Kanonenfutter dienen, und dass sie einige Zeit brauchten (in Chile nur wenige Tage), um ihre Isolation zu verstehen. Mit anderen Worten, kurz vor dem Staatsstreich und unmittelbar danach glaubten diese Schwachköpfe, dass es noch Proletarier gab, die von ihnen und unter ihrer Führung getötet werden sollten (wie wir diesen Mythos sehen werden, dass die chilenische Realität schnell zerstört wurde und noch mehrere Jahre im Exil reproduziert werden konnte); dass sie nicht wussten, inwieweit das Proletariat sie für dieses Massaker verantwortlich hielt.

Der paradoxste Aspekt der Frage war, dass dieselben Minister und Parteiführer, die die Arbeiterkämpfe verurteilt hatten, die alle Versuche einer direkten Aktion des Proletariats als rechtsgerichtet angeprangert hatten, dieselben Arbeiter in ihrem Namen zum „Widerstand“ auffordern wollten. Darüber hinaus kamen nun diejenigen, die systematisch alle Gruppen verfolgt hatten, die die kapitalistische Disziplin der Unidad Popular nicht akzeptierten, diejenigen, die ihre Streiks als von der CIA provoziert angeprangert hatten, diejenigen, die die militärischen Angriffe gegen die Bevölkerung unterstützt hatten, und sogar dieselben demokratischen Militärs und Folterer, die auf der Suche nach Waffen in den Händen des Proletariats requiriert und Rechenoperationen organisiert hatten, um ihnen „Widerstand“ zu leisten. JA, JA, ohne jede Nuancierung, von General Prat über die sozialistischen und kommunistischen Minister bis hin zu ihren ausführenden Waffen waren offene Folterer wie Coco Paredes genau dieselben, die sich auf der Grundlage von Gewalt und Repression jedem Versuch einer autonomen Bewaffnung der Arbeiterklasse gestellt hatten, die die Arbeiter zum Widerstand und zur Bewaffnung aufriefen und ihnen sogar in einigen Fällen direkt Waffen anboten.

Dies waren die „Helden“, die an Allendes Seite oder in seinem Gefolge starben, bis sie begriffen, dass das Exil das beste Geschäft war. Viele dieser finsteren Gestalten tauchten Tage nach dem Putsch an Orten traditioneller Kampflust der Arbeiter auf, nicht nur, um phantastische Geschichten über den Widerstand zu erzählen, den sie organisierten, und über die Bataillone, die sie vorbereiteten oder die unter der Führung des „demokratischen Militärs“ von einer Seite zur anderen vorrückten… sondern um vorzuschlagen, um „Waffen für den Widerstand“ anzubieten. Die Weigerung, sich noch einmal benutzen zu lassen, wurde von den Arbeitern oft mit Gewalt ausgedrückt. Leider ist darüber nur sehr wenig bekannt, weil die Hauptinteressenten an der Verbreitung dieser Tatsachen, d.h. die Proletarier selbst, als Klasse zu zerstreut und unstrukturiert waren, als dass dies eine explizit eingenommene Position sein könnte, und weil auch in der Opposition und im Exil die Vertreter der Unidad Popular weiterhin eine im Wesentlichen repressive Kraft darstellten, selbst im Hinblick auf jeden Versuch, Informationen über die Tatsachen wiederherzustellen. Erst jetzt, fast 10 Jahre nach diesen Ereignissen, zirkulieren einige Informationen zu diesem Thema, und in verschiedenen Vierteln Santiagos erzählen die Menschen stolz von ihren Geschichten über den Widerstand, oder dass dieser oder jener Führer der Unidad Popular in die Hölle geschickt wurde.

Die Unidad Popular beginnt im Exil

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Unidad Popular unmittelbar nach dem Putsch auf eine Reihe von Führungspersönlichkeiten reduziert worden ist. Tatsächlich ist die Unidad Popular (wie jede andere bourgoiese Front oder Partei) nicht nur eine Gruppe von Führern, ein Programm zur Kanalisierung proletarischer Interessen zum Wohle des kapitalistischen Staates und ein Haufen Typen, die betrogen worden sind, obwohl ein bedeutender Teil der Proletarier, die ihr vertraut hatten, sich damals in einem Zustand des Bruchs befand. Es ist auch eine Struktur, ein Apparat. Die Unidad Popular war als solche konstituiert worden, auf der Grundlage eines ganzen Netzes von Parteien, Tendenzen, mittleren „Führern“, Wahlversprechen, Schlägern aus der Nachbarschaft, Gewerkschaftlern, Überzeugten…, Interessierten… An ihrem Durchgang durch die Regierung, wie an jeder Front, die von Kundenparteien gebildet wird, hatte sich sein Apparat enorm entwickelt, z.B. auf der Grundlage der Kontrolle und des Wachstums der Ermittlungs- und anderer Repressionskräfte, auf der Grundlage von von der Regierung ernannten Kontrolleuren in öffentlichen und verstaatlichten Unternehmen, Kontrolleure, die ausnahmslos von einem Meer von Kriechern, Widdern und Informanten begleitet wurden; auf der Grundlage vieler Versprechungen in Bezug auf bürokratische Stellen (noch nie zuvor – bei Pinochet war es noch schlimmer – hatte der Staat so viel Nutzlose eingesetzt), Versprechungen, die im Begriff waren, in Bezug auf wirtschaftlichen Wohnungsbau erfüllt zu werden6. Ein guter Teil dieses Apparates, der, als der Putsch erfolglos versuchte, das Proletariat zu seinen Gunsten zu kanalisieren, und der auch unterdrückt wurde, mehr oder weniger schnell den Weg ins Exil nahm. Alle wichtigen Führer, die von der Repression nicht erfasst wurden oder die sich ihre „Freiheit“ erkauften und das Land verlassen konnten, fanden sich schnell im Exil wieder. Ein großer Teil des gesamten Apparates der mittleren und unteren „Führer“ sowie all jener, die diesem Regime verpflichtet und von ihm begünstigt waren, folgte ebenfalls diesem Weg. Das Ergebnis war, dass der entscheidende Faktor der Unidad Popular in qualitativer Hinsicht sehr schnell draußen gefunden wurde und in quantitativer Hinsicht als Minderheit „an der Front“ (SIC) zurückblieb.

Die MIR stellte in dieser Hinsicht eine vorübergehende Ausnahme dar. Ihre Führer waren der Ansicht, dass der Putsch ihre These bestätigt habe, dass der friedliche Weg zum Sozialismus gescheitert sei und dass der Putsch die entscheidende und revolutionäre Phase eröffnet habe. Die MIR hatte nie ein strategisches Projekt, das sich vom bourgeoisen Sozialismus der Unidad Popular unterschied; sie war der Ansicht, dass nun klar geworden war, dass dieses Projekt mit Waffen verteidigt werden musste, dass sie die einzigen waren, die konsequent waren, dass es nicht notwendig war, ins Exil zu gehen, dass diejenigen, die „die Front“ verließen, Verrat begingen. Die Führer der ersten Stunde und die Basismilitanten7 kämpften und starben bei der Verteidigung solcher Ideen, bis der kleine Militärapparat (basierend auf Folter, Gefängnis,… das Verschwinden), den sie hatten, zerschlagen und die konsequentesten Führer liquidiert wurden. Der Kater der MIR verkaufte ihren Lebensunterhalt an die interessierte Unterstützung des russischen und kubanischen Blocks, ihre Führer, die der Vergangenheit des Kampfes, der Opposition und der Denunziation des P“C“8 und der Staaten des Ostblocks weit weniger verpflichtet waren, stürzten sich ins organisierte Exil und endeten als eine Art Militärgruppe des P“C“.

Überall wurde der Apparat der Unidad Popular gut aufgenommen. In den Vereinigten Staaten, in Russland, Frankreich, Belgien, Holland, Deutschland, der Tschechoslowakei, Kuba, Mexiko… fanden die Führer der Unidad Popular die offenen Arme ihrer Gleichgesinnten, der Sozialdemokraten, der „Kommunisten“. Sofort organisierten sie einen Aufnahmeapparat für die Flüchtlinge, durch den sie diejenigen auswählten, die unterstützt wurden, wie sie unterstützt wurden, was ihnen gegeben wurde usw. Auf diese Weise wurden in sehr kurzer Zeit dieselben „Führer“ auf der Grundlage derselben Regeln, derselben Arten der Unterbringung, der Günstlingswirtschaft, der „Pititos“9… eine beeindruckende Struktur, ein organisierter Exilapparat, in jedem der Länder, die Flüchtlinge aufnahmen, neu konstituiert. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Leute des Apparates sich freuten, die Dinge so vorzufinden, wie sie es zu Hause taten; das Problem war, dass sie auf der Grundlage derselben Art von Klientelstruktur, von Versprechungen, von Druck erneut versuchten, all jene zu unterwerfen, abhängig zu machen, die vom Pinochetismus verfolgt ankamen, selbst jene, die mit der Unidad Popular gebrochen hatten, oder jene Proletarier, die sich nie an dieses Projekt gehalten hatten.

Die Mythologie des Widerstands und der Solidarität

Diese Rekonstruktion des Apparats der Unidad Popular im Exil wurde durch eine enorme Mythologie des „Widerstands“ genährt und zementiert, die sich zwischen 1973 und 1980 entwickelte, genau in der Zeit, in der sich der Pinochetismus mit weniger Hindernissen entwickelte. „Pinochet würde von einem Moment auf den anderen fallen“, „es waren nur ein paar verräterische Offiziere“, „das Regime hatte keine soziale Basis“, „das ganze Volk war bei der Unidad Popular“, „der größte Teil der Armee war patriotisch und demokratisch“, „Chile versank wirtschaftlich und würde es nicht bis zum nächsten Winter schaffen“, „der Widerstand wuchs“, „die Gewerkschaften organisierten sich“, „Aktionen waren in Vorbereitung“; alle waren „Führer“, alle bereiteten den Widerstand vor, alle erledigten wesentliche Aufgaben in Abstimmung mit der „Front“, als befänden sie sich mitten in einem Widerstandskrieg gegen den Faschismus, bis dahin kategorisch paranoid und realitätsfern, war der Versuch einer Mimesis in Bezug auf Antifaschismus und Widerstand während des zweiten Krieges angekommen.

Nie gab es so viele Leute, die sagten, dass Aktionen vorbereitet wurden, und nie gab es so wenige Aktionen, nie gab es so viele Sammelaktionen für den „Widerstand“ und nie gab es weniger „Widerstand“, nie gab es so viele leichtgläubige Menschen beim Sturz Pinochets und nie war Pinochet stärker, nie gab es so viele Führer, die sehr wichtige Resolutionen trafen, Programme, Pläne und Bündnisse diskutierten und nie gab es weniger reale Konsequenzen… Es wird Millionen von Geschichten über diesen Widerstand geben, der immer vorbereitet und nie realisiert wurde; dieses Widerstandes, mit dem so viele Menschen auf der ganzen Welt getäuscht wurden, beschränken wir uns darauf, kurz die Entwicklung dieses Mythos und seine Nützlichkeit nach innen und außen für die Unidad Popular zu sehen.

Der Mythos war ein inneres und äußeres Bedürfnis der Unidad Popular, das mit ihrer bourgeoisen antifaschistischen Ideologie übereinstimmte und es ihr erlaubte, ihren Apparat aufrechtzuerhalten und weiterhin als wichtiger Gesprächspartner vor anderen internationalen Kräften (Regierungen, Parteien, Gewerkschaften…) des Kapitals aufzutreten.

Intern war es notwendig, nicht den Teil des Apparates zu erhalten oder zu erhalten zu versuchen, der direkt daran interessiert war, sondern jene Militanten, die wirklich für das, was sie „Sozialismus“ nannten, kämpfen wollten. Als sie in den Zielländern der Exilierten ankamen, wurden diese – selbst wenn sie unabhängig oder der Unidad Popular gegenüber völlig kritisch waren – nicht nur durch eine administrative und wirtschaftliche Abhängigkeit angezogen, der man sich nicht entziehen konnte (nur der Apparat der Unidad Popular war in der Lage, die minimalen Probleme des Lebensunterhalts, der Legalität, der Visa, der Unterkunft, der Arbeitserlaubnis, der Stipendien… zu lösen, die alle Neuankömmlinge vorfanden), sondern weil er – so glaubten sie – der einzige Schlüssel zum Kontakt mit denen war, die unter schrecklichen Bedingungen im Kampf geblieben waren, und mit denen, die Solidarität zeigen wollten. Diese Unterordnung und Abhängigkeit verwandelte sie auf die eine oder andere Weise in Agenten einer gigantischen Lüge, die in den „Gastgeberländern“ zu einer Waffe im Dienste jeder nationalen Bourgeoisie wurde.

Das Interesse der Bourgeoisie in jeder Nation, Gleichgesinnte aus der Unidad Popular gut zu empfangen, aber auch den Mythos des chilenischen Widerstands gegen den Faschismus zu fördern und zu entwickeln, ist offensichtlich. Wieder einmal wurde angesichts der Klassenbewegungen, die die Krise von 74-75 ankündigten, die bourgeoise Faschismus-Antifaschismus-Polarisierung, die so viele Ergebnisse gebracht hatte, erneut versucht. Die PS´s, die P“C“´s, Trotzkisten, Maoisten, Anarchosyndikalisten… aber auch Fraktionen der internationalen christlichen Demokratie und sogar klassische liberale und konservative Fraktionen; verstanden, dass der beste Weg, sich vor ihren jeweiligen Arbeiterklassen ein gutes Image zu verschaffen, darin bestand, sich als die Antifaschisten zu präsentieren. Sie waren nicht diejenigen, die die Arbeiterklasse unterdrückten, sondern sie waren im Gegenteil solidarisch mit den Unterdrückten, mit den Verfolgten, wegen des Bösen selbst, das nun durch einen neuen und großen Sündenbock verkörpert wird: die chilenische Junta, ihre Konzentrationslager und Pinochet. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Fahnen des Antifaschismus, der Demokratie, des Widerstandes die des imperialistischen Lagers sind, das im letzten kapitalistischen Weltkrieg triumphiert hat. Was gibt es für die Bourgeoisie der ganzen Welt Besseres, als die Führer des „Widerstandes gegen den Faschismus“ zu empfangen!

Das ist gut verstanden, es ist so etwas wie das ABC, sie verstehen einander, sie haben die gleichen Interessen. Es ist empörend zu sehen, wie dieser Mythos des Widerstands gegen den chilenischen Faschismus sich in der ganzen Welt verbreitet hat und immer noch Teile der Arbeiter beschäftigt, die im Namen des „chilenischen Widerstands“ unter Verzicht auf ihre Klasse jede Handlung, Mobilisierung, Rede, Sammlung, Demonstration unterstützen. Dass die Weltbourgeoisie bereit ist, Geld zu geben, um diesen Mythos aufrechtzuerhalten, um die Hunderte von Reisen der chilenischen Geschäftsleute des Widerstandes, die Kongresse, die Treffen, die Waffen zu finanzieren, ist völlig logisch. Was einen Toten wärmt, ist das permanente Aufsaugen der knappen Arbeitskräfte, und dass selbst die kläglichen Ersparnisse von Tausenden von Arbeitern in aller Welt die Kassen des viel gepriesenen Widerstands zum Anwachsen gebracht haben.

Aus unserer Sicht, d.h. aus der Sicht des Proletariats im Kampf für die Zerstörung der kapitalistischen Welt, stellt dies eine offensichtliche Schwäche dar. Es gab Hunderttausende Proletarier auf der ganzen Welt, die ihre Solidarität mit ihren Brüdern und Schwestern in Chile zum Ausdruck bringen wollten, die bereit waren, dafür zu kämpfen. Aber es gab weder eine Klassenorientierung dieser Solidarität noch eine internationalistische Zentralisierung derselben, und wie immer, wenn das Proletariat sich nicht mit einer eigenen Orientierung und einer eigenen Leitung10 ausstattet, ist es sein historischer Feind, die Bourgeoisie, die es im Dienste seiner eigenen Interessen einrahmt und anführt. Deshalb führte der Mangel an Klassensolidarität dazu, dass der Solidaritätswille in Interessen kanalisiert wurde, die denen des Proletariats entgegengesetzt waren. In der Praxis geschah es, dass die Arbeiter in verschiedenen Teilen der Welt der Meinung waren, dass sie mit ihren chilenischen Brüdern und Schwestern auf der Grundlage der heiligen Vereinigung mit den bourgeoisen Parteien zugunsten des „chilenischen Widerstandes“ solidarisch waren und dass sie mit ihm kollaborierten. Als ob die beste Solidarität mit den chilenischen Proletariern nicht gerade der Kampf gegen „ihre“ eigene Bourgeoisie, ihre Staaten, ihre Parteien wäre. Die Chile-Affäre wurde so, vor allem in Europa, zu einer gewaltigen Waffe gegen den Kampf des Proletariats, da sie genau auf der anderen Seite der Barrikade der wirklichen Interessen des Proletariats und seines Kampfes gegen die gesamte „faschistische und antifaschistische“ Bourgeoisie stand.

Der Zusammenbruch des Mythos

Vielleicht gab es nur sehr wenige Führer, die wirklich wussten, wie die Dinge lagen, dass das Proletariat ihnen nicht folgte und dass ohne alle vereinigten Parteien der Unidad Popular nicht in der Lage waren, Widerstand zu leisten, dass Widerstand im Grunde genommen ein Mythos war. Gerade die Struktur, in der jeder dazu gebracht wird, zu glauben, er führe etwas an, in der jeder Dummkopf als „Führer des Widerstands“ betrachtet wird, der in der Funktion der „Genossen an der Front“ sehr wichtige Aufgaben erfüllt, trägt dazu bei, den Mythos aufrechtzuerhalten. Jeder „Führer“ bläht seine besonderen Ergebnisse auf und lässt seinen „übergeordneten Führer“ (in Wirklichkeit die untere Mittelschicht) glauben, dass in seinem Bereich die Dinge vorankommen, er fügt den Versionen jedes seiner Untergebenen etwas mehr hinzu…, bis sich die Dinge an der Spitze mit 100 multipliziert haben. Es wäre also übertrieben, alles auf die jeweiligen Parteispitzen, jeden der Parteiapparate, jeder der Stufen11 ist mit dem Mythos zufrieden und lebt dank ihm.

Der Mythos wurde von der Zeit und von der Realität der kapitalistischen Welt überall zerfressen. Diejenigen im Apparat der Unidad Popular mussten immer phantastischere Geschichten erfinden, damit z.B. Pinochets „Faschisten“ mit ihren barbarischen Verbrechen (nur so konnten sie weiterhin die Stars des Antifaschismus sein), den Gräueltaten und Entführungen in der „argentinischen Demokratie“ der letzten peronistischen Phase (1974-76) weiter überwinden konnten, auf die Repression, die die französische Bourgeoisie in Marokko führte, auf die schreckliche Realität der Gefangenenlager der ersten „sozialistischen Republik der Welt“ oder die dem Proletariat in Palästina auferlegten Lebensbedingungen, auf den schrecklichen Krieg „zwischen sozialistischen Ländern“.

In Chile selbst gab es in den Jahren 1975-76 nur sehr wenige, die an den viel gegackerten Widerstand glauben konnten. Die Unverhältnismäßigkeit zwischen dem, was angeblich organisiert und getan werden sollte, war eklatant, im Gegensatz zu der armseligen Realität, in der in völliger Isolation und ohne jede Perspektive einiger MIR-Militanten mit Kräften kämpften, die tausendmal überlegen und ohne jegliche Skrupel (Folter, Mord…) waren. Andererseits hatte Pinochet innerhalb der Grenzen der allgemeinen Krise des Weltkapitals dank der Erhöhung der Ausbeutungs- und Profitrate eine gewisse Wiederherstellung der Wirtschaft erreicht, und Chile lag nach vielen Jahren wieder über dem Durchschnitt, was die lateinamerikanischen Wachstumsraten betrifft. Diese offenkundige Konsolidierung des Regimes, die auf keinen starken Widerstand stieß, hätte den Mythos selbst zerstört, wäre da nicht der fast religiöse Eifer, vor allem im Ausland, einer im Exil lebenden Unidad Popular.

Aber auf die eine oder andere Weise erreichte diese „chilenische Realität“, die die einzige Grundlage war, auf der die Militanten der Unidad Popular ihr Leben und die Welt konzipierten (Nationalismus und Chauvinismus hatten nie solche Extreme erreicht wie im organisierten chilenischen Exil!), die am wenigsten involvierten Fraktionen, was zu immer heftigeren Zusammenstößen mit der Geschichte führte wie innerhalb der Unidad Popular.

Dann wurde eine Reihe von Elementen hinzugefügt, die den Mythos weiter verschlechterten. Gefangene, die Chile verlassen hatten, erklärten, dass sie während ihrer Haftzeit niemals Hilfe von außen erhalten hatten. Und dies, nachdem die Militanten der verschiedenen Apparate Tausende von „Sammelaktionen für die Gefangenen von Chile“ durchgeführt hatten.

Nach und nach begannen sich „pragmatischere Lösungen“ über die fantastischen Geschichten über „die Front“ zu legen, wie die Tatsache, dass Pinochet zurücktrat und es eine Übergangsregierung geben würde… oder viele andere, zur gleichen Zeit, als die „errungenen Siege“ sich über die unzähligen Versionen über die Kämpfe zwischen den Interessengruppen innerhalb jeder der Parteien zu legen begannen, wo jede Version die Rivalen des schrecklichen Verrats, der Inkonsequenz, des Diebstahls von Widerstandsgeldern für den persönlichen Gebrauch beschuldigte… All dies roch stark nach Versagen… und außerdem, so leichtgläubig man auch sein mag… Pinochet fuhr unversehrt fort.

Im Exil hatte die große Mehrheit der Militanten des Apparates ihr Leben um den Mythos des Widerstandes herum organisiert, und wer sonst dachte daran, mal mehr, mal weniger, schnell und triumphierend nach Chile zurückzukehren. In vielen Fällen war der Beruf des Militanten, auch wenn er heute wie schwarzer Humor erscheinen mag, der des „Widerstandskämpfers“. Neben anderen Problemen (wie die beeindruckenden Traumata oder das psychopathische Verhalten vor der Intuition der Realität) bedeutete dies einen zu hohen Preis; bei „Fachleuten“ war dies nicht gerechtfertigt und konnte nicht unterstützt werden. All das wurde schwächer: der Apparat und seine Mythen.

Die „Diskrepanzen“, die im Allgemeinen ein Mittel waren, um politisch wahre Interessenkämpfe, Frustrationen, Lügen, Verhandlungen zu verdecken, spalteten und verrotteten sie jeden einzelnen Apparat des berühmten „Widerstands“. Auf diese Weise kommen wir in den letzten vier Jahren der 70er Jahre zu einer Situation allgemeiner Verrottung des Apparates, in der entgegen den Aussagen der großen Bosse, von Radio Moskau oder anderen treuen Sendern, die Apparate entleerten sich, die Leute zerstreuten sich. Auch wenn es Fälle von politischen Brüchen mit der gesamten Unidad Popular gegeben hat, ohne dass uns bisher eine ernsthafte Bilanz ihrer Geschichte im Dienste der Konterrevolution bekannt ist, hat sich die große Mehrheit der ehemaligen Militanten für eine Lösung der Isolierung entschieden, oft der individuellen Suche nach einer „Lösung“ und ist in vielen Fällen von der religiösesten Leichtgläubigkeit ihrer Politiker zu einem völligen Unglauben an jegliche sozio-politische Veränderung übergegangen.

Während dieser Prozess im „Ausland“ grundsätzlich vollzogen wurde, begannen 1975 in Chile die Grenzen der Akkumulationsphase spürbar zu werden, und nach und nach wich das „chilenische Wunder“ einer neuen allgemeinen Krise. Damit begannen wieder alle Probleme, die suspendiert worden waren, und vor allem das, was uns am meisten interessiert: das Wiederauftauchen des Proletariats, wieder unter der Führung des Bergbauproletariats. Man könnte meinen, dass diese Tatsache das T-Shirt derer von der Unidad Popular wieder aufgeblasen hätte, denn schließlich gab es einen echten Widerstand gegen Pinochet. In Wirklichkeit war dies nicht der Fall und konnte es auch nicht sein, denn aus ganz konkreten historischen Gründen war die Unidad Popular der lebendige Antagonismus der Kämpfe des Bergbauproletariats. Die Tatsache, dass genau der wirkliche Kampf gegen Pinochet der Strukturierung der Unidad Popular völlig entgangen ist (und dass er genau aus diesem Grund ein Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie ist), dass die Arbeiterklasse beginnt, sich als Klasse, als autonome Kraft in einer Fraktion der Arbeiterklasse zu manifestieren, den die Unidad Popular traditionell nicht nur nicht kontrolliert, sondern historisch verurteilt und unterdrückt hat, war das entscheidende Element für den Zusammenbruch des Mythos des Widerstandes der Unidad Popular und das, was am Ende die Fraktionen der Unidad Popular, die noch glauben konnten, verrotten ließ.

Das Bergbauproletariat

Wie wir bei anderen Gelegenheiten erklärt haben12, ist das Bergbau-Proletariat, das in den Kämpfen auf der ganzen Welt an der Spitze steht, in Ländern wie Bolivien, Chile, Peru… der Kern des Kampfes des Proletariats. Ein Kern im starken Sinne des Wortes, als Zentrum, als Stütze, durch die das gesamte Proletariat seine Kräfte konzentriert und seine Stärke gegen den Feind ausübt, da es weiß, dass dort sein Kräfteverhältnis (strategische Bedeutung des Bereichs in der nationalen Wirtschaft) günstiger ist. Dies hat sich historisch bestätigt, immer in all diesen Ländern.

In Chile hatten seit jeher die großen Kämpfe von Klasse gegen Klasse, als Kern des Proletariats die Bergarbeiter. In letzter Zeit fand jede einzelne der Regierungen (Frei, Allende, Pinochet) in der Klassenantwort des Bergbauproletariats die Achillesferse ihrer Wirtschaftspolitik.

Bis zu Allendes Regierung waren die bourgeoisen Antworten die traditionellen, die mit Zuckerbrot und Peitsche. Die Regierung Allende war die erste, die überhaupt versuchte, das Zuckerbrot zu beseitigen. Als die Bergarbeiter angesichts des Kaufkraftverlusts der Löhne und Gehälter begannen, Erhöhungen zu fordern, antwortete Allendes Regierung mit den Worten, dass sie bereits viel verdienten, dass Chile arm sei, dass sie mehr verdienten als die anderen Arbeiter, dass sie die Arbeiteraristokratie seien… und als ob all dies noch nicht genug sei, „jetzt ist das Kupfer chilenisch“.

Für die Bergleute, wie für jeden anderen Bereich der Arbeiterklasse, ist die absurde philosophische Frage nach der Nationalität der Rohstoffe oder der Maschinen, mit denen sie handeln, völlig egal; für ein Unternehmen aus einem anderen Land oder für den Staat zu arbeiten, ist genau dasselbe. Ihr Interesse besteht darin, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern, weniger zu arbeiten, mehr zu verdienen, d.h. dafür zu kämpfen, der Bourgeoisie eine möglichst niedrige Ausbeutungsquote (Arbeitszeit, in der sie für das Kapital produzieren, geteilt durch die Arbeitszeit, in der sie Werte produzieren, die ihren Lebensgrundlagen entsprechen) aufzuzwingen.

Angesichts dieser Tatsache wandte der Apparat der Unidad Popular seine kautskyistisch-leninistische Theorie an und sagte, die Arbeiter seien Ökonomen, Gewerkschafter, Arbeiteraristokraten, es fehle ihnen an Politisierung… Was sie vorschlugen, war, ihr „wirtschaftliches“ Interesse im Namen ihres angeblichen politischen Interesses aufzugeben: „eine Arbeiterregierung“ und die „Verstaatlichung des Kupfers“.

Vielleicht haben viele der Militanten der Unidad Popular „das Kapital“ gelesen, die Minenarbeiter aber nicht. Wir haben jedoch keinen Zweifel daran, dass das Wesen des Klassenkampfes auf proletarischer Seite, wie es Marx in seinem Werk beschreibt, von den Bergarbeitern und nicht von denen der Unidad Popular perfekt verstanden wurde. Nichts könnte normaler sein, als dass die Arbeiter für eine geringere Ausbeutungsrate kämpfen.

Aber hier finden wir nicht nur das „wirtschaftliche“ Interesse der Bergarbeiter, sondern im Gegensatz zu dem, was die Unidad Popular sagt, auch ihr allgemeines, historisches und politisches Interesse13, weil der Kampf für weniger Ausbeutung sie im Kampf gegen den gesamten bourgeoisen Staat stärkt und weil andererseits ein proletarisches Regime vor allem durch die Aneignung des Produkts durch das Proletariat (und die Verkürzung der Arbeitszeit, ihrer Intensität usw., gekennzeichnet ist. ), was unmittelbar die allgemeine Verlagerung des Ausbeutungsgrades, die Liquidierung des Mehrwerts, die Umwandlung des Arbeitskräfteüberschusses in einen Sozialfonds usw. impliziert.

Daher hätte, selbst wenn man den ganzen Rest dessen, was die Unidad Popular war, ignoriert hätte, dass ein einziges Argument gegen die Bergbau-Forderungen ausgereicht hätte, die Ablehnung und Repression, mit der die Unidad Popular auf die Bergarbeiter von El Teniente reagierte, ausgereicht, um diese Volksfront und die entsprechende Regierung als antiproletarisch und konterrevolutionär zu charakterisieren.

Wir können hier nicht im Detail auf die verschiedenen Kämpfe eingehen, die sich gegen das Proletariat, vereint durch das Bergbauproletariat, gegen das gesamte Kapital in Chile, vertreten durch die Unidad Popular, richteten. Sagen wir einfach, dass diese Regierung, hauptsächlich unter Ausnutzung der Konfrontation und der frontalen Anprangerung und unter Verwendung des Mythos, Kupfer sei chilenisch, des Arguments, dass sie mehr verdienten als andere Sektoren der Arbeiterklasse, versuchte (und teilweise erfolgreich war), andere Arbeitssektoren (die natürlich auf ihre Klasseninteressen verzichteten) gegen die Bergarbeiter zu mobilisieren. Da all dies und die Repressionen nicht ausreichten, um den Kampf der Kupferproletarier zum Schweigen zu bringen, wurden sie beschuldigt, CIA-Agenten zu sein, das Spiel der christlichen Demokratie, des Faschismus, der Rechten zu spielen14.

Deshalb war es für die Unidad Popular so ärgerlich, dass die unbestreitbare Tatsache, dass gerade die Bergbauproletarier von El Teniente und Chuquicamata die eigentliche Vorhut im Kampf gegen Pinochet waren.

In der dunkelsten Zeit der Konterrevolution, in den dunkelsten Jahren von Pinochets Triumph, 1977-78, als der Widerstand bereits weniger glaubte und die Unidad Popular zusammenbrach, als in Chile der Arbeiterverband auf dem Tiefpunkt war und nur noch die vom Regime geförderten treuen Gewerkschaften existierten, kündigten die Bergarbeiter erneut ihre Existenz an. Dies waren die ersten Schritte zur Reorganisation, und der unmittelbare Vorwand bestand aus einer Reihe von Forderungen im Bergwerk El Teniente in Bezug auf Lebensmittel, Schichten usw. Es gab einige Maßnahmen des Kampfes, das Regime wagte nicht, Repressionen anzuwenden, es wurden einige Verbesserungen erreicht.

Dann kam 81, das Jahr, in dem sich die Krise in Chile erneut manifestierte, und in den aufkommenden Klassenkämpfen stand das Bergbauproletariat wieder an der Spitze. Die Situation entwickelte sich in den Jahren 1982 und 1983 weiter, bis sie die gegenwärtige Situation des Wiederauflebens des Proletariats (nicht nur in Chile, sondern in der gesamten Region) erreichte, wo der unbestrittene Avantgardecharakter des Bergbauproletariats von niemandem angezweifelt werden konnte.

Wenn wir diesen Text beenden (15. Juni 1983), werden heroische Tage des Klassenkampfes gegen die Klasse erlebt, und die Bergarbeiter bilden den zentralen Kern des Proletariats. Erinnern wir uns noch einmal daran, dass das, was an der Spitze des gesamten Proletariats steht, jene Bergleute sind, die die Unidad Popular als die Rechten, die Arbeiteraristokratie, die Ökonomen beschuldgite. Dass dies als eine strenge Lektion dienen sollte, nicht nur, um alle Kräfte zu verurteilen, die sich unter diesen Umständen auf die Seite der Unidad Popular gestellt haben, sondern auch all jene kauskistischen Theorien, die die Quintessenz des Denkens der Linken in der ganzen Welt ausmachen.

In dieser Hinsicht ein weiteres Element. Entscheidend für den „Widerstand“ war nach Ansicht der Unidad Popular das „politische Bewusstsein“, was dem „linken“ Denken entspricht. Die Tatsachen bestätigen noch einmal das ABC der Marxschen Theorie gegen alle ihre Revisoren, das Proletariat nimmt den Kampf nicht auf der Grundlage des „Bewusstseins“, sondern gegen die Ausbeutungsbedingungen wieder auf, das Bergbauproletariat ist gezwungen, den ganzen chilenischen Staat zu konfrontieren, nicht dank des Beitrags des Bewusstseins der bürgerlichen Linken! (die Arbeiterfraktionen mit der größten P“C“-Tradition, wie z.B. das, was von der Textilindustrie übrig geblieben ist, oder als Fraktionen der industriellen Umwandlung von Kupfer, sind diejenigen, die es am schwierigsten finden, dem heute geführten Kampf nachzugeben), sondern indem sie sich an ihre sogenannten „wirtschaftlichen“ Interessen klammern, in Wirklichkeit aber an ihren Interessen hängen. Und angesichts dieser Interessen haben alle Programme zur Demokratisierung, Sozialisierung, nationalen Befreiung nichts beizutragen, ohne ihre eigene Negation zu sein. Daher ist der Kontrast zwischen all diesen Reformen des Kapitals und dem revolutionären Kampf des Proletariats nicht nur ein strategisches Problem, ein Problem für eine weitere Etappe des Kampfes (wie die bürgerliche Linke behauptet), sondern dieser Kontrast ist die eigentliche Grundlage des Lebens und des Kampfes des Proletariats.

Schwäche und Stärke des Proletariats: Perspektive

Zweifellos war die Tatsache, dass das Proletariat 1973 nicht als Klasse auf den Angriff des rechten Flügels reagierte, ein objektives und unbestreitbares Zeichen von Schwäche. Die Tatsache, dass sie sich nicht als Anhängsel des Widerstands der Unidad Popular in eine Reaktion hineinziehen ließ, ist jedoch innerhalb dieses Gesamtbildes eine wichtige und gültige Reaktion der Selbsterhaltung und letztlich ein erster Indikator für die Stärke, die sie haben könnte, wenn sie als Klasse auftritt. Sich für Interessen töten zu lassen, die nicht die ihren sind, ist ein Fehler, den die Geschichte nicht verzeiht, wie die Millionen Toten zeigen, die es das Proletariat in Spanien gekostet hat, sich in den interkapitalistischen Krieg hineinziehen zu lassen und sich der Führung der Bourgeoisie zu unterwerfen.

Letztlich, weil das chilenische Proletariat zumindest die „Intelligenz“ besaß, sich nicht in einen Krieg – zwischen der Linken und der Rechten des Kapitals – hineinziehen zu lassen, der nicht der seine war und in dem es nichts zu gewinnen hatte und immer noch hat. Wäre das nicht der Fall gewesen – was für den gesamten südlichen Kegel gilt – hätten wir die Toten gezählt, nicht zu Tausenden, sondern sicher zu Hunderttausenden, und das Proletariat als Klasse wäre aus der Geschichte gefegt worden, nicht um 8, 10 oder 15 Jahre, sondern (wie in Spanien!) um 30, 40 Jahre oder mehr. Schlimmer noch, die Generation der Proletarier, die sich als Klasse neu konstituieren würde, hätte jeden historischen, theoretisch-praktischen Bezug zu der Generation, die die Niederlage (wie in Spanien…, wie in der ganzen Welt!) erlebte und erlitt, verloren, und es wäre äußerst schwierig, das kollektive Gedächtnis der Klasse zu sichern. Heute, im Jahre 1983, als sich das Wiedererstarken des Proletariats als Klasse trotz der begrenzten Kräfte der revolutionären Organisationen bemerkbar zu machen beginnt, hat das Proletariat in Chile (und in anderen Ländern der Region) ein Element zu seinen Gunsten, das ihm in anderen Regionen fehlt: die die revolutionäre Welle und die Konterrevolution am eigenen Leib erlebt haben (und nicht vor 2 oder 3 Generationen, wie es in Westeuropa oder Russland geschieht) und immer noch Tausende von Männern und Frauen in ihren Reihen haben, die nicht vergessen haben und die durch ihr eigenes Leiden wissen, dass alle Volksparteien sowie diejenigen, die sich selbst als Arbeiter bezeichnen, die objektiven und wirklichen Verbündeten derer waren, die offen rechtsgerichtet sind. Mehr oder weniger bewusst oder weniger bewusst spüren diese Proletarier im tiefsten Innern, dass sie bei allen Programmen, Spaltungen, Bündnissen, die sie vorschlagen, weiterhin ihre Feinde sein werden und dass sie nur auf ihre eigene Stärke zählen können.

Heute, im Mai-Juni 1983, werden die ersten Schlachten einer neuen Phase des Klassenkampfes geschlagen. Das Proletariat bestätigt mit seiner Aktion seine eigene Theorie, solidarisiert sich mit den Kämpfen des Bergbauproletariats und stellt sich gegen den gesamten Staat des Kapitals, heute noch mit einem Spieß an der Spitze. Morgen wird derselbe Kampf weitergehen, gegen andere Verwalter, die der Staat des Kapitals an ihre Stelle setzen wird. Die christliche Demokratie ist darauf bestens vorbereitet, und die alten Parteien der Linken des Kapitals versuchen, sich auf einer etwas veränderten Grundlage vorzubereiten. Genau das geschieht bei der so genannten „sozialistischen Konvergenz“. Es stimmt zwar, dass sie das Ergebnis der Krise der Unidad Popular, des Scheiterns ihres Programms und ihrer Unfähigkeit ist, das Proletariat weiterhin zu kontrollieren, aber in diesem Sinne ist sie ein Spiegelbild des letzteren, seines Wiederauftretens auf der gesellschaftlichen Bühne und der Tatsache, dass es Fraktionen des Proletariats im Kampf gibt, die sich in ihm wiedererkennen; es ist keineswegs das Proletariat selbst, das sich als eine Kraft konstituiert, sondern die „sozialistische Konvergenz“ mit großen Zusammenstößen und Widersprüchen konstituiert sich als eine neue bourgeoise Kanalisierung, die darauf reagiert und in vielen ihrer Ausdrucksformen, wie es der alten und konterrevolutionären chilenischen Linken fehlt. Dies spiegelt sich in der Tatsache wider, dass es zwar eine gewisse Kritik am Stalinismus gibt, die jedoch vor den Augen des Proletariats ebenso ausgebrannt ist wie andere Ausdrucksformen der „marxistisch-leninistischen“ Ideologie und ein offensichtlicher Wille, mehr darauf zu achten, was „von der Basis ausgeht“; die erwähnte Konvergenz, ist genau die „Konvergenz“ des Wiederaufflammens der Diskussion, der Mobilisierung und der Agitation in den Arbeitsgrundlagen mit der Möglichkeit (der Stalinismus hat mehr Schwierigkeiten, dem Zug der Geschichte zu folgen) und Notwendigkeit eines Teils der alten Struktur der Unidad Popular, sich zu erneuern, sich neu zu kleiden, um den Zug nicht zu verpassen, die Arbeiterbewegung neu zu formieren und ihre alte Sozialpolitik fortzusetzen; was sich wiederum darin ausdrückt, dass alle formalen Ausdrucksformen (Ansprachen, Schriften, Aufrufe…) Merkmale des bourgeoisen Sozialismus und des demokratischen Kretinismus sind.

Das sollte uns nicht beunruhigen, noch sollten wir diese Situation als katastrophal betrachten. Die Wiedergeburt des Proletariats als Klasse kann nicht über Nacht auf reine und autonome Weise erfolgen. Auf der einen Seite ist das Proletariat gezwungen, seine Autonomie in langen und harten Kämpfen zu erobern, auf der anderen Seite ist es völlig normal, dass die Bourgeoisie (eine Klasse, die als Geheimnis ihrer Herrschaft die Einrahmung eines Teils ihrer Sklaven hat und sie gegen einen anderen Teil ihrer Sklaven einsetzt) versucht, den Anschluss nicht zu verpassen und sich neu anzupassen, und versucht, jede ihrer Strukturen und Organismen, in denen das Proletariat seine Autonomie zu schmieden versucht, zu kontrollieren und zu verzerren.

Der Schlüssel zu den Ergebnissen des künftigen Klassenkampfes, der heute in Chile wieder aufgenommen wird, liegt jedoch genau in diesem Kampf zwischen der Autonomie, d.h. der Trennung des Proletariats als Kraft von allen Kräften des Kapitals, und der Unterordnung, d.h. der Fähigkeit der Bourgeoisie, jede Klassenautonomie zu unterwerfen, zu führen und schließlich aufzuheben und das Proletariat in einer neuen Konstituierung des Volkes, der Unidad Popular, einer Volksfront zu liquidieren.

Deshalb haben heute alle aufrichtigen Kräfte des Proletariats im immer offeneren Kampf gegen das Regime die zentrale Aufgabe, auf diese Trennung, diese Autonomie zu drängen, und zwar nicht, indem sie irgendein äußeres Bewusstsein einbringen und im Gegensatz zu dem, was aus der Bewegung hervorgeht, (wie so viele „leninistische“ Behauptungen), sondern im Gegenteil, im Kampf gegen die Ausbeutung und ihre Bedingungen, indem sie den Bruch, der in Wirklichkeit besteht, deutlich machen, die Geschichte der Klasse selbst zu propagieren und zu agitieren, den Bruch bewusst zu machen, der in der Bewegung selbst besteht, jeden Versuch anzuprangern, die Interessen des Proletariats dem alten populistischen Programm unterzuordnen, und somit sowohl alle alten Führer der Unidad Popular anzuprangern, die versuchen, den Zug nicht zu verpassen, als auch die Programme des bourgeoisen Sozialismus, die versuchen, den Kampf zu kanalisieren; kurz gesagt, zu schreien, dass das Proletariat seinen Weg nur durch das Festhalten an seinen Interessen, durch die Konfrontation mit der gesamten Demokratie und dem Bourgeois-Sozialismus, durch die Konstituierung zu einer wirklichen und internationalen Klassenmacht bauen wird, um seine eigene Diktatur auszuüben und, um die Warengesellschaft, den Staat, die sozialen Klassen abzuschaffen

Tod für Pinochet und sein Regime des Elends und der Unterdrückung

Tod für alle Kräfte des Kapitals, die bereit sind, es zu ersetzen

Lang lebe der Kampf des Bergbau-Proletariats; lang lebe der Kampf des Proletariats in Chile; lang lebe der Kampf des internationalen Proletariats

Für seine Reorganisation in eine weltweite kommunistische Kraft

Internationalistische Kommunistische Gruppe / Grupo Comunista Internacionalista

1 Siehe Memoria Obrera: Chile septiembre 1973 in Comunismo nº 4.

2 Wenn wir von der Unidad Popular sprechen, ist darunter auch die MIR zu verstehen, die in Wirklichkeit, da die Unidad Popular die Regierung übernahm, nichts anderes als ihr radikaler Anhang war.

3 A.d.Ü., im Originaltext wird der Begriff sectores verwendet, dies ließe sich auch als Bereiche übersetzten, wir haben uns für Fraktion-Fraktionen entschieden, es soll aber nicht den Eindruck verleihen es würde sich hier um die trotzkistische Paranoia der Fraktionsbildung und -kämpfe handeln, die eigentlich so üblich bei jeder politischen linken Sekte aller Couleur und Nuance üblich ist.

4 Verschiedene Dokumente und Erklärungen der Putschisten zeugen von dieser Überraschung.

5 Es sei daran erinnert, dass sich die Unidad Popular durch eine extreme Verteidigung der legalen Zuteilung von Zimmern und Häusern auszeichnete und dass sie aus diesem Grund mit einer sehr schweren Repression gegen die Besetzungen durch die „Obdachlosen“ konfrontiert war, die bei Amtsantritt dieser Regierung versuchten, sich die den Agenten der Unterdrückungskräfte zugewiesenen Häuser anzueignen.

6 Zum organisierten Exil siehe unseren Text: „Exil: Revolution und Konterrevolution“ in Comunismo Nr. 2.

7 A.d.Ü., damit werden die Militanten gemeint die die Basis, sprich Grundlage, der Bewegung ausmachen.

8 A.d.Ü., hiermit wird die Kommunistische Partei gemeint, auf Spanisch P.C., Partido Comunista.

9 A.d.Ü., wir sind uns bei diesem Begriff nicht im klaren was der bedeuten soll.

10 A.d.Ü., hiermit wird keine Avantgarde im leninistischen Sinne gemeint, sondern dass sich die Arbeiter*innenklasse selbst leitet, sie für sich selbst zu ihrer eigenen Leitung wird.

11 A.d.Ü., verstanden als Stufen, in der Partei, Struktur, usw.

12 Siehe z.B. „Bolivien, demokratische Öffnungen, Blei und Schrapnell gegen ein unbeugsames Proletariat, aber ohne revolutionäre Führung“ in Comunismo Nr. 5.

13 Wir haben bei vielen Gelegenheiten erklärt, dass es keine Trennungen, keine Autonomie zwischen den Interessenarten des Proletariats gibt. Wir benutzen die vulgäre Terminologie, die in sich die falsche Opposition (wirtschaftlich-politisch, unmittelbar-historisch) enthält, nur, um sie zu kritisieren und sie den Interessen entgegenzustellen, die gerade global sind.

14 Es ist unnötig zu sagen, dass im innerbourgeoisen Kampf ein solcher Kampf nicht geführt werden durfte, und es ist offensichtlich, dass der rechte Flügel, die Christdemokratie, versuchte, die Bergarbeiter zu infiltrieren und den Kampf der Bergarbeiter zu führen. Aber dieses Element ist völlig nebensächlich und erklärt niemals den grundlegenden Widerspruch, um den es ging: proletarische Forderungen gegen den Boss-Staat!

Deutsche Übersetzung: https://panopticon.noblogs.org/post/2024/06/06/gci-ikg-chile-das-ende-der-up-und-das-wiederauftauchen-des-proletariats/

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